Kunst & Kultur

Claus Weidensdorfer: Zwischen Tristesse und Ekstase

Claus Weidensdorfer: ohne Titel (drei kostümierte Kinder), 1984. Repro: Heiko Weckbrodt

Claus Weidensdorfer: ohne Titel (drei kostümierte Kinder), 1984. Repro: Heiko Weckbrodt

Städtische Galerie Dresden zeigt ab 6. Juni Werkschau „Tanzen zur Musik der Zeit“

Dresden, 5. Juni 2015. Ist Fasching wirklich lustig? Man mag darüber streiten. Nicht jedenfalls im zeichnerischen Spiegel von Claus Weidensdorfer: Drei Kinder treten aus der Dunkelheit, eingerahmt von übermannshohen götzenartigen Totempfählen. Eines gar sich als Gerippe verkleidet, leere Schädellöcher grinsen uns ans. Der Junge in der Mitte mag als Narr durchgehen, doch Spaß versprechen seine langen grauen Tentakelarme nicht wirklich… So wie diese unbetitelte Zeichnung aus dem Jahr 1984 sind viele Arbeiten des inzwischen 83 Jahre alten Dresdner Künstlers anzuschauen, die ab morgen (6. Juni 2015) in der Städtischen Galerie Dresden ausgestellt sind: Oft wirken sie wie ein surrealer Zerrspiegel von Alltagsszenen, berichten von Entfremdung des Individuums von der Menge, von innerer Flucht, aber auch von der Ekstase des Künstlers, des Musikers, in einer ihm eigenen Welt. Kurator Johannes Schmidt von den Städtischen Museen Dresden spricht von einem „mäanderndem Denken“, das sich in Weidensdorfers Opus niederschlage, von einer „überbordenden Phantasie“ in einer „Vielzahl von Variationen.“

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Bizarre Welt für sich: DDR-Mitropa um 1 Uhr nachts

Rund 120 Zeichnungen Gouachen, Drucke und andere Arbeiten umfasst die Sonderausstellung „Claus Weidensdorfer. Tanzen zur Musik der Zeit“, die die Städtische Galerie Dresden an der Wilsdruffer Straße nun dem Lebenswerk dieses Künstlers widmet – nur ein Ausschnitt des reichen Schaffens Weidensdorfer in den vergangenen 60 Jahren, wie Schmidt betont. Bedrückendes steht neben ironischen Noten, so Galerie-Direktor Gisbert Porstmann, der etwa auf Werke wie „Mitropa“ hinweist: Auf der Lithografie des Jahres 1984 hat ein seltsames Paar in einer jener unsäglichen Bahnhofsgaststätten zu DDR-Zeiten Platz genommen. Einer Kellnerin beugt sich über den Tisch wie der leibhaftige Tod, ein Uniformierter ist immer dabei. „Die Mitropa um 1 Uhr nachts – das war selbst für die DDR ein exterritorialer Ort“, erinnert Porstmann an die bizarre Stimmung in jenen Neonlicht-Lokalen.

Kurzvideo (hw):

Entrückte Musikusse

Der 1931 in Coswig geborene Weidensdorfer war sicher keiner der Verfemten der DDR-Kulturszene, eher ein Teil von ihr. Aber er war seinerzeit ganz offensichtlich auch keiner, brav den Kunstvorgaben der SED folgte: Sozialistisch-realistische Werktätige, die fröhlich dem Planerfüllungswerk entgegenstürmen, findet man zumindest in der Werkschau der Städtischen Galerie nicht, eher Bilder von Menschen, die wie Marionetten den Fäden ihrer Meister folgen, die sich im planvollen Raster der sozialistischen Stadt verfangen haben. Immer wieder taucht auch das Motiv des Todes auf: Als blanker grinsender oder betrübter Schädel, im Tanz mit einem Kinde, als übermannende Umarmung. Farbiger, fast expressionistisch bunt dagegen wirken seine Konzertszenen: In ihnen zeugt uns der Jazz-Fan Weidensdorfer eine ganz andere Gegenwelt, die ganz vom Rhythmus der Musik beherrscht wird, und in die der triste Alltag für Stunden nicht einzudringen vermag… Autor: Heiko Weckbrodt

„Claus Weidensdorfer. Tanzen zur Musik der Zeit“, Sonderausstellung mit Zeichnungen, Drucken und anderen Arbeiten von Claus Weidensdorfer, Städtische Galerie Dresden, Wilsdruffer Straße 2, 6. Juni bis 13. September 2015, jeweils Di.-Do., Sa. u. So., 10-18 Uhr, Fr. 10-19 Uhr, Eintritt; 5 €, ermäßigt 4 €, freitags ab 12 Uhr freier Eintritt, mehr Infos hier im Netz

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt