Forschung

TU Dresden: In Zukunft jede vierte Vorlesung auf Englisch

Tatiana Sandoval-Guzman (l.) aus Mexiko und Dipyjoti Deb aus Indien forschen und leben in Dresden. Sie spürt im CRTD Selbstheilungskräften von Lurchen nach, er konstruiert am cfaed Computerchips aus Silizium-Nanoröhrchen. Und TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen ist überzeugt: Von der Expertise solcher internationalen Spezialisten kann Dresden gar nicht genug bekommen. Foto: Heiko Weckbrodt

Tatiana Sandoval-Guzman (l.) aus Mexiko und Dipyjoti Deb aus Indien forschen und leben in Dresden. Sie spürt im CRTD Selbstheilungskräften von Lurchen nach, er konstruiert am cfaed Computerchips aus Silizium-Nanoröhrchen. Und TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen ist überzeugt: Von der Expertise solcher internationalen Spezialisten kann Dresden gar nicht genug bekommen. Foto: Heiko Weckbrodt

Rektor will mehr Studienfächer auf die lingua franca der Neuzeit umstellen

Dresden, 4. Juni 2015. Professor Hans Müller-Steinhagen macht ernst mit der geforderten stärkeren Internationalisierung und der Zweisprachigkeit in Dresden: Der Rektor will, dass Vorlesungen, Seminare und andere Veranstaltungen für 20 bis 25 Prozent aller Studiengänge an der TU Dresden durchweg in Englisch gehalten werden. Nicht gleich morgen, aber doch in naher Zukunft. Betreffen werde das vor allem Masterstudiengänge in den Natur-, Ingenieur- und Lebenswissenschaften, aber auch Wirtschafts- und Jura-Fächer, kündigte der TU-Rektor heute an. Er habe den Fakultäten bereits entsprechende Zielvorgaben gemacht.

Bisher elf Master-Studiengänge auf Englisch

TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen. Abb.: TUD

TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen. Abb.: TUD

Derzeit bietet die Technische Universität Dresden elf englischsprachige Masterstudiengänge an. Denn inzwischen stammt ein Achtel aller Studenten (rund 4600 von insgesamt knapp 37.000) aus dem Ausland. Chinesen machen dabei die größte Gruppe unter den ausländischen Studierenden aus, gefolgt von Russen, Vietnamesen und Indern. Und auch diesen Ausländeranteil in der Studentenschaft will Müller-Steinhagen ausbauen, er soll von jetzt 12,5 auf mindestens 20 Prozent im Jahr 2020 steigen. „Wissenschaft ist international“, begründete er seinen Kurs. „Auch die deutschen Universitäten müssen sich internationaler aufstellen.“ Einerseits wirke Multikulturalität intellektuell befruchtend für Forschung wie Lehre, andererseits seien Kontakte mit Altersgenossen aus dem Ausland auch für die deutschen Studenten nützlich. Und: „Wer sich kennt, der wird sich auch nicht bekriegen“, so der Rektor.

Max Planck & Co. machen’s vor

In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Dresden wird dies ohnehin schon längst vorgemacht: Vor allem in den Max-Planck-Instituten, aber auch einigen anderen Einrichtungen liegt der Anteil internationaler Forscher mindestens bei einem Drittel, oft sogar weit darüber. Und Umgangssprache ist dort ohnehin schon längst Englisch – ähnlich übrigens wie in zutiefst international orientierten Unternehmen wie etwa in den Chipwerken von Globalfoundries Dresden.

Nachwachsende Muskeln beim Axolotl unterm Mikroskop. Foto: CRTD

Nachwachsende Muskeln beim Axolotl unterm Mikroskop. Foto: CRTD

Mexikanische Forscherin sucht in Dresden nach Jungbrunnen

Tatiana Sandorel-Guzmann zum Beispiel stammt aus Mexiko und wechselte ins Dresdner Zentrum für Regenerative Therapien (CRTD), um hier die wundersamen Regenerationsfähigkeiten von Axolotl, Newt und anderen Lurchen zu studieren – und nach Wegen zu suchen, diese Selbstheilungskräfte auch dem Menschen zu verleihen. Am CRTD stammen 35 Prozent der Mitarbeiter aus dem Ausland, gehören 30 Nationen an. Sie bringen so die beste Expertise aus aller Welt an einem Ort zusammen, sagt sie.

Die Visualisierung zeigt eine mögliche Kombiation von Silizium-Nanodrähten. Abb.: TUD

Die Visualisierung zeigt eine mögliche Kombiation von Silizium-Nanodrähten. Abb.: TUD

Indischer Nanotechnologe wird in Sachsen zum Nietzsche-Fan

Dipyioti Deb wiederum stammt ursprünglich aus Indien. Er forscht jetzt am Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR) und am TU-Zentrum für fortgeschrittene Elektronik (cfaed). Dort tüftelt er an Silizium-Nanoröhrchen für die Computerchips von übermorgen – und hat den Weg nach Sachsen nicht bereut: Die deutsche Kultur sei für ihn eine große Bereicherung, sagt der bekennende Fan von Goethe, Nietzsche und Caspar David Friedrich. Manche urdeutsche Gewohnheit habe längst auf ihn abgefärbt: „Jetzt bin ich immer der Überpünktliche“, nennt er ein Beispiel. Manches habe aber dann doch nicht so geklappt wie geplant: „Ich wollte eigentlich ganz schnell Deutsch lernen“, erzählt er. „Aber jetzt ist es so, dass mein Vermieter ziemlich gut Englisch gelernt hat, mein Deutsch dagegen immer noch schwach ist.“

Zweisprachigkeits-Prinzip in Dresden gefordert

Gerade in diese Kerbe hatte erst jüngst Professor Wieland Huttner vom Instituts-Verbund „dresden concept“ gehauen: Er forderte, Englisch zu einer Art zweiten Muttersprache der Dresdner zu machen. „Wir müssen die Dresdner Bevölkerung an die Zweisprachigkeit gewöhnen.“

Werbevideo der TU Dresden:

Rektor sorgt sich um Rufschaden durch Pegida

Hintergrund dieser Vorstöße von Müller-Steinhagen, Huttner und anderen Wissenschaftlern und Politikern ist, man ahnt es schon, die asylkritische Pegida-Bewegung in Dresden. Der TU-Rektor fürchtet, dass ihm ab dem kommenden Wintersemester die Studenten aus dem Ausland wegbleiben, internationale Koryphäen seine Uni verlassen könnten – oder gar nicht erst kommen, wenn hier eine Berufung ansteht.

Wie schön jüngst nach seiner Wiederwahl als Rektor warnte Müller Steinhagen heute noch einmal eindringlich vor den Folgeschäden, die er durch Pegida nahen sieht: „Ich bin der Überzeugung, dass Pegida für den Wissenschaftsstandort Dresden einen ganz starken Imageschaden bewirkt hat“, sagte er. Er hat inzwischen angeordnet, die PR-Trommel der TU lauter zu schlagen. So soll ein frischgedrehter Werbefilm das Bild einer weltoffenen, kulturvollen und internationalen Universität in die Welt hinaustragen. Ob dies zieht, bleibt abzuwarten. Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt