Wirtschaft

Nach Intel-Aus in Dresden steht Ausgründung zur Debatte

Dresden hat sich inzwischen einen guten Ruf in der Mobilfunk-Forschung erarbeitet. Wenn Intel demnächst sein Entwicklungszentrum an den Elbhängen schließt, könnte es auch zu neuen Ausgründungen kommen. Fotos: Intel (X3-Atom-Prozessor mit LTE-Funktion), hw, Montage: hw

Dresden hat sich inzwischen einen guten Ruf in der Mobilfunk-Forschung erarbeitet. Wenn Intel demnächst sein Entwicklungszentrum an den Elbhängen schließt, könnte es auch zu neuen Ausgründungen kommen. Fotos: Intel (X3-Atom-Prozessor mit LTE-Funktion), hw, Montage: hw

Fürs Entwickler-Team wäre dieser Weg nichts Neues

Dresden, 28. Mai 2015. Nachdem Intel angekündigt hat, sein Entwicklungszentrum für Mobilfunk-Chips in Dresden zu schließen, ist noch unsicher, wie es dort weitergeht. So ist noch nicht klar, wieviele aus dem 130-köpfigen Entwicklerteam dem Angebot des US-Konzerns folgen werden, zu den Intel-Sandorten in München oder Nürnberg zu wechseln. Auch eine Ausgründung mit einer eigenen Firma sei nicht ausgeschlossen, erklärte auf Oiger-Anfrage eine Insider-Quelle, die nicht namentlich genannt werden möchte. Diesen Weg hatten die Dresdner bereits einmal gewählt, als NXP das Vorgänger-Unternehmen eindampfte.

Funkchip-Expertise wurzelte in TU Dresden

Das Entwicklungszentrum von Intel in Dresden geht letztlich auf, „Systemonic“ eine Ausgründung der TU Dresden zurück, die 1999 entstand und 2002 von Philips/NXP übernommen wurde. Die Ingenieure hatten sich zunächst auf WLAN-Empfänger für Notebooks spezialisiert, später stürzte sich ein Großteil des Teams auf Mobilfunk-Chiptechnologien für LTE und dessen Nachfolgestandards. 2008 reduzierte NXP dieses Entwicklungszentrum auf eine kleine Restmannschaft, ein Teil der anderen Mitarbeiter gründete daraufhin die Entwicklungsfirma „Blue Wonder“. Die wurde 2010 von Infineon übernommen und kurz darauf an Intel weiterverkauft.

Ursprungs-Gründung hat inzwischen viele Kinder

Insofern wäre es für die Entwickler, die Intels Ruf an andere Standorte nicht folgen wollen, kein so abwegiger Schritt, sich mit einer neuen Firma wieder selbstständig zu machen. Zudem haben zwei frühere „Blue Wonder“-Mitgründer inzwischen zwei andere Technologieschmieden in Dresden geschaffen: Der einstige Fettweis-Jünger Wolfram Drescher gründete die Firma „Siltectra“, die sich auf eine neuartige Spalttechnologie für Chip-Scheiben spezialisiert hat. Peter Meyer rief die Airrays GmbH ins Leben, die adaptive Funkantennen entwickelt. Nicht zuletzt saugt auch das „5G Lab Germany“ der TU Dresden derzeit Experten für Handy-Technologien auf. Dieses Entwicklungszentrum für den Mobilfunk der nächsten Generation steht wiederum unter der Leitung von „Systemonic“-Mastermind Prof. Gerhard Fettweis.

Der Dresdner TU-Professor Gerhard Fettweis (r.) führt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (Mitte) und Vodafone-Manager Philip Lacor den neuen 5G-Mobilfunk vor. Foto: Vodafone

Der Dresdner TU-Professor Gerhard Fettweis (r.) führte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (Mitte) und Vodafone-Manager Philip Lacor auf der CeBit 2015 den neuen 5G-Mobilfunk vor. Foto: Vodafone

Sachsen zog gegenüber Bayern den Kürzeren

Derweil ist wohl Intels Angebot an das Dresdner Team, an andere Standorte zu wechseln, offensichtlich ernst gemeint und nicht nur eine Pro-Forma-Offerte, schätzte der Insider ein. Der Mutterkonzern sei anscheinend tatsächlich daran interessiert, die Dresdner Experten für LTE- und andere Mobilfunk-Technologien zu behalten, nur eben an einem anderen Standort. Intel habe seine in Deutschland verstreuten Entwicklungskapazitäten konsolidieren wollen, im Standortwettbewerb habe dann aber Sachsen gegenüber Bayern „den Kürzeren gezogen“.

Die jüngsten Image-Probleme Dresdens durch Pegida hätten bei der Entscheidung – wenn überhaupt – aber nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Dafür spricht auch, dass viele im Team von außerhalb und zu großen Teilen auch aus dem Ausland an den Entwicklungsstandort in Sachsen gekommen waren, nun aber so starke Wurzeln in Dresden geschlagen haben, dass sie zögern, dem Intel-Ruf zu folgen. Dafür könnte bei der Intel-Entscheidung mit hineingespielt haben, dass Dresden inzwischen keine ganz so prominente Rolle in der europäischen Halbleiter-Branche mehr hat wie noch vor der Chipkrise.

Laut unseren Informationen will der Konzern den Standort Dresden bis zum Jahresende schließen. Derzeit sind aber auch über diesen Punkten noch Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat im Gange.

Autor: Heiko Weckbrodt

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Intel schließt Entwicklungszentrum in Dresden

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt