Wirtschaft

Mit Keksen aus der Zunftkrise

Bäckermeister Matthias Walther bereitet in seiner Backstube ein Keksblech vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Bäckermeister Matthias Walther bereitet in seiner Backstube ein Keksblech vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Bäckermeister Walther gilt mit seinen KeXereien als Innovator in der Dresder Innung

Dresden, 7. April 2015. Die kleinen bunten Linsen fallen inmitten von überdimensionalen Ofenblechen, Nudelhölzern und Teigrollen sofort auf: Was machen Smarties in der Backstube? Bäckerin Tabea Knötschke greift sich eine Handvoll: Tapp-tapp-tapp, platziert sie die roten, gelben, grünen Kullerchen auf den runden Teighäufchen, die Keks-Experte Oliver Groß mit einer Art Eiskugelzange auf dem großen Blech verteilt. „Das hat eine Weile gedauert, bis wir den Dreh raushatten“, erzählt die weißbemützte 30-Jährige. „Anfangs haben wir die Smarties nur im Teig mitgebacken. Das hat zwar gut geschmeckt, aber den Kunden war überhaupt nicht klar, was da drin steckt. Erst als wir zum Schluss noch Smarties draufgesetzt haben, kam der Aha-Effekt.“

Tabea Knötschke und Oliver Groß bereiten die Smartie-Kekse zu. Foto: Heiko Weckbrodt

Tabea Knötschke und Oliver Groß bereiten die Smartie-Kekse zu. Foto: Heiko Weckbrodt

Vorsicht: Suchtgefahr 😉

Und das Ergebnis ist – Achtung: Schleichwerbung! – einfach köstlich: Was die „KeXerei“ der Dresdner Bäckerei Walther am Ende frischgebacken verlässt, riecht und schmeckt einfach grandios, weckt Erinnerungen an ferne Kindheitstage, in denen man mit Mutti daheim Plätzchen buk. Hat man einmal in die Smartie-Kekse, Schoko- oder Cranberry-Cookies der Dresdner Bäcker hineingebissen, will man am liebsten überhaupt nicht mehr aufhören, schwinden alle guten Diät-Vorsätze.

Neue Konzepte statt Barmen

Und sieht man sich den Andrang an den Keks-Theken im Stammhaus oder in den KeXerei-Filialen im Stadtgebiet Dresden an, dann wird klar: Bäckermeister Matthias Walther hat wirklich den Dreh raus, wie man sich inmitten all der Barmerei in der Zunft um Supermarkt-Billigkonkurrenz, Asien-Teiglinge und Mindestlohn ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein neben den Klassikern Brötchen, Brot und Eierschecke aufbaut.

Kekse. Foto: Heiko Weckbrodt

Kekse. Foto: Heiko Weckbrodt

Kekserfolge schon bei Meisterprüfung

Auf den Keks-Trichter gekommen war Walther in Wendezeiten, als er gerade seine Meisterprüfung ablegte: „Ein Prüfungsthema waren Kekse“, erinnert sich der Bäcker. „Meine Kekse haben der Meisterkommission damals so gut geschmeckt, dass ich schon damals dachte: Das solltest Du weiterverfolgen.“ Allerdings sollte es noch fast 20 Jahre dauern, bis aus dem Keks-Hobby mehr wurde.

Teiglings-Fabriken setzen lokale Bäcker unter Druck

Denn noch in den 1990ern konnte die Zunft mit ihrem traditionellem Brot- und Brötchen-Geschäft gut über die Runden kommen. Inzwischen jedoch setzen große Teiglings-Fabriken in Osteuropa und Asien die lokalen Bäcker zunehmend unter Druck: Sie produzieren im Industriemaßstab Teig-Rohlinge für Brötchen, frieren sie ein und versenden sie in Großtranchen an die Supermarktketten. Und die brauchen keine gelernten Bäcker mehr. Denn selbst Angelernte können die Automatenöfen bedienen, um aus diesen vorgefertigten Teiglinge Brötchen zu machen. Folge: Brote und Brötchen innerhalb der Supermärkte sind inzwischen oft nur noch halb so teuer wie ihre Pendants bei den „richtigen“ Bäckern. Und die stehen seitdem unter erheblichem Preisdruck– ein Problem, mit dem dieses Handwerk bundesweit kämpft.

Stollen-Bonus in Dresden

Dabei haben die Dresdner Bäcker sogar noch einen Bonus im Wettbewerb, da sie zusätzlich noch in der Weihnachtszeit Stollen verkaufen und teils auch überregional versenden können. Dennoch war Matthias Walther schließlich klar: „Eierschecke und Stollen haben auch all die anderen Bäcker. Wir müssen uns spezialisieren.“ Da fielen ihm seine Kekserfolge vor den Prüfern wieder ein und als sich eine günstige Mietofferte in der Centrum-Galerie auftat, öffnete er dort seine erste „KeXerei“. Die Idee dabei: Den Leuten Plätzchen bieten, die wie hausgemacht schmecken und nicht wie aus Industrieproduktion.

Drei Monate wie die Alchimisten Rezepte ausprobiert

„Vor dem Start haben wir drei Monate lang ganz viel probiert und experimentiert“, erinnert sich der Meister. Die ersten vier Keksrezepte kamen noch aus Großmutters Backbuch. Dann engagierte Walther mit Oliver Groß einen speziellen Keksbäcker und der kreierte dann immer neue Plätzchenvarianten. „Mit 13 Sorten haben wir 2009 begonnen, inzwischen haben wir über 70“, sagt Walther.

Verkäuferin Franziska Kaiser zeigt in der KeXerei-Filiale im Hauptbahnhof Dresden ein besonderes Stück: einen Keksigel. Foto: Heiko Weckbrodt

Verkäuferin Franziska Kaiser zeigt in der KeXerei-Filiale im Hauptbahnhof Dresden ein besonderes Stück: einen Keksigel. Foto: Heiko Weckbrodt

Auch online läuft das Keks-Geschäft

Die Idee wurde zum Schlager. Mittlerweile gilt Walther in der Dresdner Innung als Innovator, der Auswege aus der Zunft-Krise gezeigt hat. Der Meister vertickt seine besonderen Kekse heute auch online über Sachsen hinaus, hat drei KeXerei-Außenstellen in Dresden und Leipzig eingerichtet – und Nachahmer gefunden, denn auch andere Bäcker sind ins Keksgeschäft eingestiegen.

Preisbogen nicht überspannen

Freilich sei die KeXerei kein Geschäft, in dem man den Bogen überspannen dürfe, ist Walther klar: Die Kekse müssen wirklich wie handgemacht schmecken und dürfen nicht zu teuer sein. Der Trend gehe jedenfalls hin zu teureren, hochwertigen Keksen. „Wir haben zum Beispiel Sorten, für die wir Macadamia-Müsse verarbeiten – und die sind richtig teuer. Da kostet das Kilo 30 Euro.“ Solche Sorten werden de facto quersubventioniert – „sonst könnte man die nicht mehr zu einem Preis verkaufen, den die Kunden noch akzeptieren“, sagt der Meister.

Schwarzbraune für Heino

Auch Promis haben sich in Walthers besondere Kekse schon verliebt. „Heino hat auch mal gekostet“, erinnert sich Walther und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Er mochte besonders die schwarzbraunen…“ Autor: Heiko Weckbrodt

Wo und wann die KeXereien geöffnet sind – hier gibts mehr Infos im Netz

Zum Weiterlesen:

Renaissance für Kaffeekultur in Dresden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt