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Zwickauer Datenbrille kommt im Herbst für 300 €

Bundesforschungs-Ministerin Johanna Wanka und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich probieren die Datenbrille aus Zwickau aus und freuen sich über die ruckelfreie Darstellung. Foto: Peter Schmalfeldt, WHZ

Bundesforschungs-Ministerin Johanna Wanka und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich probieren die Datenbrille aus Zwickau aus und freuen sich über die ruckelfreie Darstellung. Foto: Peter Schmalfeldt, WHZ

Zwickau/Berlin, 18. März 2015: Die neue Datenbrille aus Zwickau wird voraussichtlich im Herbst 2015 für etwa 300 Euro auf den deutschen Markt kommen. Das hat Entwickler Prof. Rigo Herold von der „Westsächsischen Hochschule Zwickau“ (WHZ) auf Oiger-Anfrage angekündigt. Die vergleichsweise einfach konstruierte Datenbrille wird damit deutlich billiger zu haben sein als aufwendigere – und im Falle von Google praktisch gar nicht verfügbare – Konkurrenzprodukte wie zum Beispiel „Google Glass“ (1400 Dollar bzw. 1300 Euro) oder der „Cinemizer“ von Zeiss (850 Euro).

Brille blendet Tauben im Kino Untertitel ein

Verkauft werden soll die Zwickauer Datenbrille zunächst als Komplettlösung für gehörlose und schwerhörige Menschen, denen sie in Kinos Untertitel für aktuelle Hollywood-Filme einblenden soll. Die App dafür hat die Berliner Firma „Greta & Starks“ entwickelt – das Mini-Programm für Computertelefone (Smartphones) stellt dann in jeder Kinowoche die aktuellen Untertitel für die jeweiligen Film-Starts bereit. „Greta & Starks“ werde voraussichtlich auch den Vertrieb der neuen Datenbrille an Kinobetreiber und Hörakustik-Läden übernehmen, die die Brillen dann an Taube und Schwerhörige ausgeben sollen, informierte der WHZ-Professor für „Digitale Systeme“.

Über eine App können sich die Datenbrillen-Nutzer die Untertitel für die jeweils aktuellen Kinofilme ziehen. Abb.: Greta & Starks

Über eine App können sich die Datenbrillen-Nutzer die Untertitel für die jeweils aktuellen Kinofilme ziehen. Abb.: Greta & Starks

Professor sieht Datenbrillen vor Marktdurchbruch

Allerdings erwäge die Hochschule auch eine eigene Firmenausgründung, um die digitale Brille auch für andere Anwendungsszenarien weiterzuentwickeln, sagte Prof. Herold. Nachdem Datenbrillen lange Zeit eher als exotische Spielereien galten, zeichne sich nun ab, „dass sich Datenbrillen in nächster Zeit stark verbreiten werden, auch für ,Industrie 4.0’-Anwendungen“.

Serienmontage und einfache Bauweise sollen Preis drücken

Dass die Datenbrille aus Sachsen für einen soviel günstigeren Preis als Konkurrenzprodukte angeboten werden könne, sei vor allem zwei Gründen geschuldet, sagte Rigo Herold im Oiger-Gespräch: eine einfache Konstruktion und Ansätze für eine effektivere Serienfertigung. „Viele Datenbrillen werden heute noch in Handarbeit angefertigt, auch dadurch sind sie so teuer“, betonte er. „Deshalb entwickeln wir derzeit eine Methode, um die Produktion unserer Brille zumindest teilweise zu automatisieren.“ Zudem sei das Zwicker Modell – anders als viele Konkurrenzprodukte – nicht dafür ausgelegt, dem Träger komplette reale und virtuelle Umgebungen in Vollgrafik vor Augen zu führen, sondern spiegele vielmehr über ein System speziell beschichteter Prismen nur in einem Teil des Sichtfeldes Texte und Grafiken ein. Dadurch könne sie billiger gebaut werden.

Werbevideo von Greta & Starks:

Berliner App liefert per App Texte für aktuelle Filme

Wenn der Nutzer sich beispielsweise ins Kino setzt, sieht er durch die Gläser die Leinwand und die Untertitel zum aktuellen Dialog werden zweizeilig darunter angezeigt. Verlässt der Besucher kurz den Kinosaal, um sich zum Beispiel Popcorn zu kaufen, und kehrt dann in den Sessel zurück, synchronisiert die App auf seinem Smartphone automatisch den Filmfortschritt und zeigt die nun aktuellen Untertitel an. Während das derzeit auf der CeBit präsentierte Modell noch auf ein HDMI-Videokabel angewiesen ist, wird das Serienmodell wahrscheinlich ohne Kabel auskommen und per Bluetooth-Funk die Daten mit dem Telefon austauschen.

Forschungsministerin und Ministerpräsident gefällt neue Brille

Diese Ausstattungsverbesserungen, aber auch Preis und Marktstart hängen freilich davon ab, ob die Hochschule die erhofften Fördermittel bekommt, räumte der Professor ein. Zwei wichtige Entscheider konnte er auf der IT-Messe in Hannover jedenfalls schon einmal überzeugen: Bundesforschungs-Ministerin Johanna Wanka und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (beide CDU) probierten die Datenbrille gestern am CeBit-Stand der WHZ aus – und zeigten sich angetan. „Auch andere Messebesucher waren sehr interessiert“, berichtete Rigo Herold.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt