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Dezentrale Mikro-Energieerzeuger vernetzen sich zu virtuellen Kraftwerken

Die Idee beim virtuellen Kraftwerk: Ein Großteil der dezentral erzeugten Energie soll noch im Stadtteil oder in der Kommune umverteilt werden, bevor sie über Umspannwerke weitergeleitet wird. Foto: EWE

Die Idee beim virtuellen Kraftwerk: Ein Großteil der dezentral erzeugten Energie soll noch im Stadtteil oder in der Kommune umverteilt werden, bevor sie über Umspannwerke weitergeleitet wird. Foto: EWE

Pilotprojekt von TU Dresden und EWE bündelt Kellerkraftwerke von Eigenheimen

Dresden/Oldenburg, 12. März 2015: Statt auf neue Stromtrasse und Kraftwerke zu warten, wollen Ingenieure der TU Dresden und des Oldenburger Energieversorgers EWE unzählige dezentrale Energieerzeuger zu virtuellen Großkraftwerken vernetzen, um die Energiewende voranzutreiben. Die ersten 17 Anlagen werden mit Bundes-Unterstützung demnächst vernetzt. Das Pilotprojekt sei aber so konzipiert, dass damit letztlich sogar Zehntausende Mikro-Kraftwerke, Brennstoffzellen, Solar- und Windkraft zusammengeschaltet werden können, versicherte Jens Werner vom Projektteam der TU Dresden.

Dezentraler Energieausgleich könnte Stromspeicher-Problem entspannen

Die virtuellen Kraftwerke sollen modular ausbaubar und per Interet immer breiter vernetzbar sein. Grafik: TU Dresden

Die virtuellen Kraftwerke sollen modular ausbaubar und per Interet immer breiter vernetzbar sein. Grafik: TU Dresden

Das Konzept dahinter könnte eines der Kernprobleme der Energiewende, wie sie die Kanzlerin ausgerufen hat, zwar nicht völlig lösen, aber mindern: die fehlenden Energiespeicher und Stromtrassen. Denn immer mehr Solar- und Windkraftanlagen, aber auch andere dezentrale Energieerzeuger zum Beispiel in Eigenheimen speisen ihren Ökostrom nicht unbedingt dort und dann deutschen Stromnetze ein, wo und wann sie gebraucht werden. Um diese Ungleichgewichte zu beseitigen, müssten neue Hochspannungstrassen zwischen dem Norden und dem Süden des Landes gezogen werden, wogegen sich vielerorts der Widerstand von Anwohnern regt. Auch fehlen große Energiespeicher, die für einen effektiven Ausgleich zwischen den Spitzenzeiten der Stromproduktion und des Energieverbrauchs sorgen könnten.

Immer mehr Private werden zu Klein-Energieerzeugern

„Auch immer mehr Privathaushalte betätigen sich als dezentrale Energieerzeuger“, schätzte Kathleen Mehnert von der Technologietransfer-Stelle der TU Dresden ein. „Die deutschen Stromnetze sind aber dafür gar nicht ausgelegt, viele solcher kleinen Zu- und Abflüsse von Energie zu managen. Mit unserem Projekt wollen wir dafür dezentrale Lösungen finden.“

Nachfrage- und Produktionsspitzen auf Stadtteil-Ebene ausgleichen

So ähnlich sehen die Mikro-Kraftwerke von innen aus. Foto: Kirsch

So ähnlich sehen die Mikro-Kraftwerke von innen aus. Foto: Kirsch

Das Pilotprojekt „Regionales Virtuelles Kraftwerk“, das Spitzenvertreter von EWE und TU Dresden am 17. März in einem Vertrag besiegeln wollen, setzt daher darauf, einen wesentlichen Teil der dezentral durch Mikro-Kraftwerke und ähnliche Anlagen erzeugten Energie auch dezentral zu verteilen, ohne sie gleich in die großen überregionalen Netze einzuspeisen. So könnten Produktions- und Nachfragespitzen für Heizenergie und Strom noch auf de Ebene einzelner Kommunen, Kreise oder gar Stadtviertel ausgeglichen werden.

Projekt startet mit zwei Brennstoffzellen und 15 Mikro-Kraftwerken

Solche "EcoPower"-Mikrokraftwerke sollen beim Feldversuch zum Einsatz kommen. Foto: Vaillant

EcoPower-Mikrokraftwerk. Foto: Vaillant

Dafür werden im Sommer zunächst zwei Brennstoffzellen sowie 15 Mikro-Kraftwerke des Typs „EcoPower 1.0“ mit jeweils 1 Kilowatt elektrischer Leistung und 2,5 Kilowatt thermischer Leistung in ausgewählten Eigenheimen im Raum Oldenburg installiert und dann über die Internetzugänge der Haushalte mit einer Energiemanagement-Zentrale vernetzt. „Man kann sich das etwa so vorstellen, das das einzelne Mikro-Kraftwerk im Hauskeller zum Beispiel am Morgen an die Zentrale meldet, wieviel Energie sie liefern kann, wieviel das Erzeugerhaus selbst benötigen wird, und dann bekommt die Anlage eine Art 24-Stunden-Fahrplan digital zugesandt, der ihr sagt, wann sie wie lange an diesem Tag arbeiten soll und wieviel sie ans Netz liefern soll“, erklärte der wissenschaftliche TU-Mitarbeiter Jens Werner auf Oiger-Anfrage.

System könnte auch Elektroautos als Energie-Zwischenspeicher einspannen

Grafik: TUD

Grafik: TUD

Bisher habe die Technische Universität diese Abläufe zunächst nur theoretisch im Computer simuliert, durch das Abkommen mit EWE soll nun der Feldtest in der Praxis folgen. Das Managementsystem sei dabei so konzipiert worden, dass zu den 17 Anlagen der Startphase später weitere Mikro-Kraftwerke, Solar- und Windkraftparks zugeschaltet werden könnten. „Auf diese Weise lassen Tausende oder sogar Zehntausende kleine dezentrale Anlagen zu virtuellen Kraftwerken zusammenschalten, deren Gesamtleistung mit einem richtigen Großkraftwerk mithalten kann“, betonte Jens Werner. Wenn in naher Zukunft die Elektroautos doch noch den Marktdurchbruch schaffen sollten, könnten auch deren „Tank“-Zyklen und Akkus als Stromspeicher in diese vernetzten Systeme integriert werden.

Zwei Millionen Euro Projektkosten werden von Bund und EWE finanziert

Modell einer vom IKTS Dresden konzipierten tragbaren Hochtemperatur-Brennstoffzelle. Abb.: IKTS

Modell einer vom IKTS Dresden konzipierten tragbaren Hochtemperatur-Brennstoffzelle. Abb.: Fraunhofer IKTS

Finanziert wird das insgesamt zwei Millionen Euro teure Pilotprojekt, das auf zunächst zweieinhalb Jahre ausgelegt ist, je zur Hälfte durch Fördermittel des Bundeswirtschaftsministeriums und durch Eigenmittel von EWE. „Unser gemeinsames Forschungsprojekt legt seinen Schwerpunkt auf den regionalen Ansatz, weil durch die regionale Vernetzung der Anlagen die Energie dort erzeugt wird, wo sie verbraucht wird“, erklärte EWE-Forschungschef Jörg Hermsmeier. Dies habe nicht nur den Vorteil, dass dadurch der im Zuge der Energiewende geplante Netzausbau reduziert, sondern auch das Stromnetz vor Ort feiner gesteuert werden könne. Das Projekt ist Teil des Forschungscluster „Combined Storage System Integration“ (CSSI), in dem die TU Dresden ihre Energiespeicher-Forschungen gebündelt hat. Autor: Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Energiespeicher-Forschungen in Dresden

Das Energiespeicher-Cluster CSSI der TU Dresden

Physiker: Technologische Basis für Energiewende fehlt auf Jahre

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt