Scharfe Kritik an Hilberts Biotech-Politik
Dresden, 9. Februar 2015: Vor einem Tod auf Raten für die Dresdner Biotechnologie-Entwicklung haben Branchen-Vertreter gewarnt. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen den Dresdner Wirtschaftsbürgermeister und Oberbürgermeister-Kandidaten Dirk Hilbert (FDP): Anders als am Konkurrenzstandort Leipzig habe es die städtische Wirtschaftsförderung in Dresden versäumt, rechtzeitig Erweiterungsflächen für die hiesige Biotech-Unternehmen, für Ausgründungen aus Instituten zu reservieren. „Es gibt keinen Platz für neue Unternehmen“, sagte Prof. Kai Simons, der Gründungsdirektor des Dresdner „Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik“ (MPI-CBG), verärgert. „Dresden steht zur Zeit still in der Biotechnologie.“
Biosaxony-Chef: Stadt hat sich vom Freistaat über den Tisch ziehen lassen
„Im Vergleich zu Leipzig ist Dresden schlecht aufgestellt“, stößt André Hofmann ins selbe Horn. „Da hat sich die Stadt vom Freistaat richtig über den Tisch ziehen lassen“, meint der Geschäftsführer des sächsischen Branchenverbandes „Biosaxony“, der für rund 140 Unternehmen und Institute mit über 2000 Mitarbeitern im Freistaat steht.
Auf Areal für 2. BioZ-Gründerzentrum baut Land nun Forschungsneubauten
Die Kritik von Simons wie Hofmann dreht sich vor allem um ein lange gefordertes, aber nie realisiertes zweites „Bioinnovationszentrum“ (BioZ) in Dresden-Johannstadt. Denn das vor 15 Jahren gebaute Biotech-Gründerzentrum „BioZ“ am Tatzberg ist seit Jahren rappelvoll. Ein Anbau war auf der anderen Seite der Neubertstraße geplant. „Eigentlich wollte Hochtief dort auch bauen, das Konzept lag vor, doch dann hat die Stadt das vergeigt“, schimpft der finnische Biotech-Pionier Kai Simons. „Da wurde das Grundstück an den Freistaat weiterverkauft. Und schuld daran ist Hilbert – der macht alles kaputt.“
Neubau ist für B-Cube und DZNE reserviert
Und der Freistaat baut dort jetzt tatsächlich, die Grube für die Fundamente ist schon ausgehoben. Es geht sogar auch um Biotechnologie – aber gedacht ist der Neubau für die Forschung, nicht für wirtschaftliche Ansiedlungen oder Erweiterungen. Einziehen sollen dort das auf Nano-Biotechnologie spezialisierte Exzellenzforschungszentrum „B-Cube“ und der Dresdner Standort des „Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen“ (DZNE).
Wirtschaftsförderer zählen auf Nachrück-Effekt
Die städtischen Wirtschaftsförderer sehen die Lage indes nicht so pessimistisch wie die Branchenvertreter: „Das Bioinnovationszentrum ist zurzeit voll vermietet“, räumte Rathaus-Sprecherin Nora Jantzen zwar ein. Aber: „Sobald das neue Gebäude für B-CUBE und DZNE am Tatzberg steht, werden diese beiden Einrichtungen ihre bisherigen Mietflächen und die zugehörigen Labore an der Arnoldstraße in der Johannstadt verlassen und diese werden für neue Nutzer zur Verfügung stehen.“ Zudem sei auf den Nachbarflächen des neuen B-Cubes „eine nichtstörende gewerbliche Nutzung zum Beispiel durch Unternehmen der Biotechnologie möglich“. Auch prüfe die Stadt, „weitere Flächen in ihrem Eigentum in der näheren Umgebung, um sie mittelfristig für Unternehmen der Biotechnologie erschließen zu können.“ Allerdings ist es kein Geheimnis, dass es voraussichtlich mehrere Jahre dauert wird, diese Flächen – zum Beispiel auf dem früheren Plattenwerk und rings um das Uniklinikum – zu erschließen.
Leipzig rennt Dresden davon
Das heißt eben auch, dass der Abstand des Biotech-Standorts Leipzig weiter wachsen wird – und für Dresden immer weniger einholbar. Denn an der Pleiße ist mehr als genug Platz für biotechnologische Firmen, dort hat sich mit der „Biocity“ ein vitaler Wachstumskern für Medizin- und Biotech-Ausgründungen entwickelt, hat sich mit dem „Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie“ (IZI) eine Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Wirtschaft angedockt, das erst jüngst eine zweite Erweiterung bekommen hat.
Eine Milliarde Euro in sächsische Biotech investiert
In die erste internationale Liga wollte der Freistaat Sachsen aber eigentlich beide Standorte – Dresden wie Leipzig – katapultieren, als er im Jahr 2000 rund 200 Millionen Euro in seine „Biotechnologie-Offensive“ investierte. Finanziert wurden damit unter anderem auch der BioZ-Bau in Dresden und die „Biocity“ in Leipzig. Laut Landesschätzungen wurden damit weitere 800 Millionen Euro Investitionen in Sachsen ausgelöst, die Hälfte davon aus der Privatwirtschaft.
Video: Kai Simons über die Probleme am Biotech-Standort Dresden:
Stark geförderte Forschung, doch nur wenig Job-Effekte in freier Wirtschaft
Doch Politikern wie Branchenvertretern ist eben auch klar, dass im internationalen Vergleich die Kluft zwischen guter Forschung und deren wirtschaftlicher Verwertung in Sachsen noch besonders groß ist – gerade auch in Dresden. „Nachdem wir hier soviel in die Forschung investiert haben, wäre es ein Jammer, wenn wir das nicht in Ansiedlungen, in Arbeitsplätze wandeln können“, warnte Simons. „Wir brauchen dafür Inkubatoren, die junge Firmen ausbrüten, wir brauchen ein zweites BioZ und eine Technologietransfer-Initiative.“ Gefragt sei da die Stadt, die einen Masterplan für die weitere Entwicklung der Biotechnologie in Dresden und für eine Flächenerschließung in Johannstadt vorlegen müsse. Zwar gebe es auch private Initiativen dazu in Dresden, doch die seien zu solchen großangelegten Lösungen außerstande.
Privater Biotech-Inkubator in Hellerau wächst – doch ist zu klein und zu weit weg vom Schuss
Gemeint ist damit vor allem der private Biotech-Technologiepark, der in der ehemaligen Manufaktur der Deutschen Werkstätten Hellerau entstanden ist. Rund um die Firmengruppe von Investor Wilhelm Zörgiebel haben sich dort viele kleine Unternehmen aus der Genetik, Bioinformatik und verwandten Disziplinen angesiedelt. Auch versucht Zörgiebel derzeit, einen 60-Millionen-Euro-Fonds für die Förderung junger Biotech-Firmen an Land zu ziehen. Doch letztlich sei das verfügbare Areal in Hellerau schlicht zu klein und zu weit von den großen Bio-Forschungseinrichtungen der Uni und der Planck-Gesellschaft in Dresden-Johannstadt entfernt, ist dem Unternehmer voll bewusst. „Wir sind kein Ersatz für ein zweites BioZ.“ Autor: Heiko Weckbrodt
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