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Chip-Wesen gegen Tierversuche entwickelt

Der Multiorgan-Chip (Größenvergleich Ein-Euro-Münze) und mit seinen drei separaten Mikrokreisläufen soll viele Tierversuche überflüssig machen. Foto: IWS Dresden

Der Multiorgan-Chip (Größenvergleich Ein-Euro-Münze) und mit seinen drei separaten Mikrokreisläufen soll viele Tierversuche überflüssig machen. Foto: IWS Dresden

Künstlicher Organismus simuliert Menschen im Maßstab 1 zu 100.000

Dresden/Berlin, 7. Februar 2015: Berliner Biotechnologen und Dresdner Fraunhofer-Entwickler haben auf einem Mikrochip einen künstlichen Organismus geschaffen, der viele moralisch zweifelhafte Tierversuche künftig überflüssig machen soll. Dieses System sei „ein Miniorganismus im Maßstab 1:100 000 zum Menschen“, betonte Projektleiter Dr. Frank Sonntag vom „Fraunhofer-Institut für Werkstoff und Strahltechnik“ (IWS) Dresden.

Mikropumpe als Herz, Minikanäle als Blutbahnen

Schaubild: Fraunhofer IWS Dresden

Schaubild: Fraunhofer IWS Dresden

Dafür konstruierten die Biotechnologen Prof. Roland Lauster und Dr. Uwe Marx von der TU Berlin, IWS_Forscher Sonntag sowie weitere Partner einen „Multiorgan“-Chip, der den menschlichen Stoffwechsel simuliert. An verschiedenen Stellen können für die Versuche Zellproben zum Beispiel von Niere, Leber oder Lunge deponieren. Eine winzig kleine Pumpe spielt das Herz und schickt ein flüssiges Zellkulturmedium samt dem zu testeten Wirkstoff, Medikament oder Kosmetikum durch die Mikrokanäle, die wie Blutbahnen die simulierten Organe verbinden. Je nach Experiment setzen die Forscher Zellproben verschiedener Organe, Ethnien und Geschlechter ein, um zu möglichst repräsentativen Ergebnissen zu kommen.

Konzept scheiterte früher an Minipumpen

Zwar habe es schon länger die Idee gegeben, solche Tiersimulationen mit Fluidkanälen zu konstruieren, erklärte Frank Sonntag. Dies sei in der Vergangenheit jedoch an technologischen Hürden gescheitert. So muss das Zusammenspiel der verschiedenen Organe maßstabsgetreu abgebildet werden, da viele Medikamente ihre Nebenwirkungen an ganz unerwarteten Stellen im Körper entfalten. Auch müssen die Mikropumpen die Flüssigkulturen sehr fein dosiert durch den künstlichen Körper senden, damit der Strömungsdruck simuliert werden kann, denen die Organe in einem echten Menschen ausgesetzt sind. Das nun verwendete „Herz“ pumpe winzigste Mengen von unter einem halben Mikoliter pro Sekunde durch die Kanäle. „Dadurch ist das Verhältnis zwischen Zellprobe und flüssigem Medium realitätsgetreu“, erläuterte Frank Sonntag.

Videovisualisierung von einem
10-Organ-Chipsystem (TissUse):

Probeeinsatz in Kosmetik-Industrie

Der etwa zigarettenschachtel-große künstliche Miniorganismus aus Dresden ist inzwischen laut IWS-Angaben in einigen Unternehmen, zum Beispiel aus der Kosmetikindustrie, im Testeinsatz. Völlig ersetzen kann er Tierversuche sicher nicht – aber doch reduzieren und damit vielen Kreaturen Laborexperimente ersparen.

Tierschutzforschungspreis vom Bund

Der Bund zeichnete die gemeinsame Entwicklung des IWS Dresden, der TU Berlin und der „TissUse GmbH“ Spreenhagen daher inzwischen mit dem „Tierschutzforschungspreis 2014“ aus. Autor: Heiko Weckbrodt

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