Mechanische Zell-Analyse soll Entzündungen schneller erkennen
Dresden, 6. Februar 2015: Um Entzündungen, Rheuma oder Leukämie schnell zu diagnostizieren, haben Dresdner Uni-Forscher ein neues Verfahren entwickelt, das Blutzellen gewissermaßen „abtastet“. könnten künftig die Genesungsfortschritte schon während der Behandlung gemessen werden, meint Dr. Oliver Otto vom Entwicklungs-Team am Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTEC). Er will mit Kollegen nun die Biotech-Firma „ZellMechanik Dresden“ gründen, um dieses Verfahren zur Serienreife zu bringen.
Ein Tröpfchen Blut reicht schon aus
„Mit unseren Geräten können Proben sehr schnell und mit wenig Aufwand mechanisch analysiert werden“, erklärte Dr. Oliver Otto auf Oiger-Anfrage. Zudem sei das Dresdner Verfahren sei auch schonender für den Patienten: „Bei uns reicht ein Tröpfchen Blut.“ Damit müssten Patienten etwa 100 bis 1000 Mal weniger Blut abgenommen werden als bei vielen anderen Verfahren.
Statt Stunden oder Tagen dauert Analyse nur Minuten
Das wohl interessante Argument für die neue mechanische Zelldiagnose ist aber der Zeitfaktor: Das Zellmechanikverfahren liefert schon nach wenigen Minuten Resultate. Der herkömmliche Diagnosepfad hingegen braucht oft Stunden oder gar Tage. Denn wenn Patienten heute im Verdacht stehen, eine gefährliche Entzündung oder gar Krebs in sich zu tragen, müssen sie oft eine Blut- oder Zellprobe abgeben. Die muss dann meist noch präpariert werden, bevor sie zum Beispiel unter ein Mikroskop geschoben wird. Die Laborantin zählt dann beispielsweise die weißen und roten Blutkörperchen aus, um Rückschlüsse auf Entzündungs-Reaktionen im Körper ziehen zu können. In anderen Fällen werden solche Proben in spezialisierte Labors eingeschickt und dort chemischen, biochemischen oder virologischen Tests unterzogen.
Flusskräfte zerren an Zellen wie an Gummibooten
Daher ist die Forschergruppe unter der Leitung von BIOTEC-Gruppenleiter Prof. Jochen Guck einen neuen Weg gegangen. Vereinfacht gesagt, pumpen sie die flüssigen Zellproben – also zum Beispiel Blut – durch ein sehr dünnes Röhrchen. Durch die Gesetze der Flussdynamik bewegt sich die Flüssigkeit dort innen und am Rande mit unterschiedlichem Tempo vorwärts. Dieses Phänomen ist auch an großen Flüssen gut zu beobachten – und ist beispielsweise auf der Elbe schon oft genug Hobby-Bootsfahrern zum Verhängnis geraten. Vieltausendfach verkleinert, ziehen im Röhrchen an den Blutkörperchen dadurch ebenfalls starke mechanische Kräfte, zerren sie wie ein Gummiboot auseinander.
Krebszellen sind einfach schlappriger
Nun muss man dazu wissen, dass biologische Zellen unterschiedlich fest sind. Selbst die – für Entzündungsreaktionen wichtigen – weißen Blutkörperchen in unserem Blut lassen sich bei genügend präziser Untersuchung noch einmal in verschiedene Arten unterteilen. Auch sind zum Beispiel Krebszellen viel „schlappriger“ als gesunde Zellen. Eine Hochgeschwindigkeitskamera schaut sich daher am Röhrchenausgang an, wie sehr die Flusskräfte die Zellen in der Miniprobe haben auseinerzerren können.
Software wertet 2000 Bilder je Sekunde aus
Ein von den Dresdner Forschern eigens entwickeltes Computerprogramm wertet diese Bilddaten dann aus und charakterisiert und zählt die verschiedenen Zellarten in der Probe. Bis zu 2000 Bilder kann das Testgerät dadurch pro Sekunde auswerten und dies in „Echtzeit“, also noch während des Messvorgangs. Mit solch einem Analysegerät könnten Mediziner in Zukunft zum Beispiel in Echtzeit beobachten, ob und wie eine Behandlung anschlägt.
Firmengründung geplant
Derzeit wird das innovative Analyseverfahren bereits im Uniklinikum im Rahmen von Studien getestet. In den nächsten zwei Monaten wollen die Forscher das Unternehmen „ZellMechanik Dresden“ gründen. „Dort wollen wir das Verfahren für Forschung und Wirtschaft zugänglich machen und den Gerätebau starten“, kündigte Otto an. Autor: Heiko Weckbrodt
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