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„Cluster Dresden ist ein ganz ungewöhnliches Gewächs“

Prof. Stefan Mannsfeld kam aus dem kalifornischen Stanford nach Dresden, weil er hier ein einzigartige Forschungsmöglichkeiten an organischer Elektronik sieht - und übrigens auch die Kita-Plätze viel günstiger als in den USA sind. Foto: cfaed

Prof. Stefan Mannsfeld kam aus dem kalifornischen Stanford nach Dresden, weil er hier ein einzigartige Forschungsmöglichkeiten an organischer Elektronik sieht – und übrigens auch die Kita-Plätze viel günstiger als in den USA sind. Foto: cfaed

Warum es internationale Spitzenforscher ans Zukunftselektronik-Zentrum cfaed zieht

Dresden, 23. Dezember 2014: Warum zieht es internationale Koryphäen der Naturwissenschaften an das Zukunftselektronik-Zentrum „cfaed“ der TU Dresden? Ausgerechnet in den „wilden Osten“, der vielerorts schnell mal als ausländerfeindlich verschrieen ist, dem viele noch immer erheblichen Nachholebedarf in puncto internationaler Forscher-Vernetzung und wirtschaftlicher Schlagkraft nachsagen? Erst kürzlich sind mit dem chinesischen Chemiker Xinliang Feng und dem deutsch-amerikanischen Physiker Stefan Mannsfeld zwei solche Top-Leute aus Mainz und Stanford dem Ruf nach Dresden gefolgt. „Exzellente Forschungsgruppen gibt es weltweit einige, die sich mit organischer Elektronik beschäftigen, auch in Stanford“, sagt Prof. Mannsfeld, der nun hier den cfaed-Lehrstuhl für eben dieses Fachgebiet leitet. „Aber das Cluster in Dresden ist ein ganz ungewöhnliches Gewächs.“

Stanford-Physiker Mannsfeld: Sehe hier eine kritische Masse für echte Durchbrüche

Der 40-jährige Physiker, der einst unter dem Dresdner „Organikelektronik-Papst“ Prof. Karl Leo promovierte und dann in den USA Karriere machte, kehrt jedenfalls nicht nur aus Heimatliebe an die Elbe zurück. „In Dresden stimmt nicht nur das akademische, sondern auch das wirtschaftliche Umfeld. Hier wird organische Elektronik in ihrer vollen Breite untersucht: von Elektrotechnikern, Elektronikern, Physikern, Chemikern, Materialwissenschaftlern… Ich sehe hier eine weltweit einzigartige kritische Masse, um echte Durchbrüche in dieser Technologie zu schaffen.“

Chinesischer Chemiker: „Dresden passte zu meiner Expertise“

Der Chemiker Xinliang Feng will am Dresdner Elektronikzentrum cfaed auch kohlenstoffbasierte Schaltkreis.Technologien erforschen. Foto: cfaed

Der Chemiker Xinliang Feng will am Dresdner Elektronikzentrum cfaed auch kohlenstoffbasierte Schaltkreis-Technologien erforschen. Foto: cfaed

Ähnlich sieht das der 34-jährige Professor Feng, der vom renommierten Mainzer Max-Planck-Institut für Polymerforschung nach Sachsen wechselte, um am „cfaed“ den Lehrstuhl für molekulare Funktionsmaterialien zu leiten. „Dresden passte einfach gut zu meiner Expertise“, meint er. Beide – Feng und Mannsfeld – wollen nun Hand in Hand arbeiten, um der organischen Elektronik zum Marktdurchbruch zu verhelfen, um diese biegsamen und dünnen Schaltkreise billiger, schneller und massenhaft herstellbar zu machen.

Künstliche Haut und weniger E-Schrottberge durch organische Elektronik

„Denken Sie beispielsweise an Einweg-Elektronik in der Medizin“, schwärmt Stefan Mannsfeld von den Möglichkeiten der noch jungen Technologie. „An intelligente Pflaster, die nur wenige Cent kosten und durch integrierte Sensoren die Wundheilung überwachen.“ Oder an künstliche Nasen oder künstliche Haut, die es Patienten nach Transplantationen erlauben, wieder zu fühlen, zu riechen. Auch könne organische Elektronik einen ganz erheblichen Beitrag leisten, um gegen wachsende Elektronikmüllberge vorzugehen. Biologisch abbaubare Elektronik sei doch viel besser als der heutige Leiterplatten-Abfall, der nur sehr aufwendig wiederverwertet werden kann, meint Mannsfeld.

Weiche Standortfaktoren ziehen: Kindergarten-Platz kostet in Kalifornien 10-mal soviel

Im Gläsernen Labor des hygiene-Museums Dresden können Kinder experimentieren. Foto. Oliver Killig

Auch die Kinder forschen in Dresden mit – hier im Gläsernen Labor des Hygiene-Museums. Foto. Oliver Killig

Aber die vielbeschworenen „weichen Standortfaktoren“ haben die beiden Spitzenforscher nach Dresden gelockt. Seiner amerikanischen Frau habe er den Umzug mit hiesigen Spezialitäten und dem Kita-Netz schmackhaft gemacht, erzählt Mannsfeld: „Vom Christstollen war sie schon durch die Weihnachtspakete meiner Eltern begeistert“. Ein weiteres Argument hat der vierfache Vater vorgebracht: „In Kalifornien kostet ein Kindergarten-Platz mehr als das Zehnfache dessen, was wir hier in Dresden bezahlen.“

Doppelkarriere – damit auch der Partner weiterforschen kann

Zudem wirkte auch das „Dual Career“-Programm („Doppel-Karriere“) des Forschungsverbundes „dresden concept“ und der TU Dresden, das sich um passende Wissenschaftler-Stellen für mitziehende Ehepartner bemüht: „Meine Frau war Junior-Professorin für Raumplanung in Darmstadt“, berichtet der chinesische Chemiker Feng. „Nun hat sie eine Forscherstelle am Dresdner Leibniz-Institut für Ökologische Raumentwicklung.“

Star-Kryptograph und Prozessordesigner folgen

Bisher hat das Zukunftselektronik-Zentrum der TU gerade erst drei von neun Professuren besetzt. Als nächstes will sich cfead-Koordinator Prof. Gerhard Fettweis je einen führenden Kryptographen (Verschlüsselungsexperten) und Prozessor-Designer angeln. Weiterer Nachschub an internationalen Koryphäen ist also zu erwarten. Irgendwelche Vorbehalte gegen „den Osten“ – etwa wegen „Pegida“ oder anderer fremdenfeindlicher Töne – habe er zumindest bisher nicht zu spüren bekommen, meint Fettweis.

Bis zu 30 Bewerber pro cfaed-Professur

Prof. Gerhard Fettweis tüftelt in der Informatik-Fakultät der TU Dresden an der Nanoelektronik von übermorgen - nachdem er sich zuvor als LTE-Koryphäe ausgetobt hatte. Abb.: hw

Prof. Gerhard Fettweis- Abb.: hw

Das weltweite Interesse an den Dresdner Ausschreibungen sei vielmehr groß. „Auf jede Professur haben wir im Schnitt 20 bis 30 Anwärter“, sagt Fettweis. Und wenn er und seine Kollegen dann aussieben, spielen vor allem zwei Kriterien eine Rolle: „Die Professoren müssen wissenschaftlich exzellent sein, aber auch teamfähig. Wenn wir hier zukunftsfähige Elektronik von allen Seiten beackern wollen, hilft es wenig, einen Nobelpreisträger zu haben, der dann nur in seinem Kämmerlein vor sich hinbrütet.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

1. Exzellenzprofessor am cfaed berufen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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