Tommy Lee Jones‘ sprödes, aber exzellentes Drama um Frauen inmitten von Amerikas Raubbesiedlung
Am Anfang und am Ende von Tommy Lee Jones’ („No Country for Old Men“, „Lincoln“) ernüchterndem Western „The Homesman“, der nun in den deutschen Kinos angelaufen ist, steht Zurückweisung. Zweimal schleudert Mary Bee Cuddy (Hilary Swank, „Million Dollar Baby“) ihr fast unbekannten Männern in der Prärie ihre Heiratsanträge entgegen, preist ihre Vorzüge als Frau im noch gebärfähigen Alter, zählt die Acres ihres Landes auf, ihr Vieh, ihre Pläne. Zweimal muss sie sich anhören „Dich heiraten? Niemals!“
Werbevideo (Universum Film):
Treck der Ausgestoßen und Verrückten zurück gen Osten
Dazwischen liegt eine kräfte- und nervenzehrende Reise gen Osten. Eine Reise mit drei Frauen, die in der Ödnis und mitleidlosen Raubtier-Gesellschaft des Wilden Westens verrückt geworden sind, und mit dem Deserteur Briggs (Tommy Lee Jones), der so gar nicht heldisch wirkt wie Mary Bee, die allein eine Farm bewirtschaftet hat: Er heult und knatscht, er raubt und gibt sich mitleidlos. Aber er versteht was vom Schießen und Fährtenlesen. Und deshalb schlägt Mary Bee ihn vom Strick los, an dem er schon baumelt. Verpflichtet ihn mitzukommen, als sie im Auftrag der zusammengewürfelten, verbitterten Dorfgemeinschaft in Nebraska, die die Verrückten loswerden will, die drei Frauen an die zivilisierte Ostküste zu bringen versucht. In einem klobigen Karren mit zwei Maultieren und zwei Pferden, von denen eines bald von Indianern verspeist wird.
Stärke und Scheitern nahe beieinander
„The Homesman“ ist vor allem eine Geschichte von Frauen, die im fernab der Zivilisation über sich hinauswachsen – oder scheitern. An der Absenz von Kultur verzweifeln, an der Dürre des Landes und der Menschen um sie herum. An Gier, Gewalt, Vorurteilen. Ein zwar spröder, aber exzellent inszenierter und gespielter Film, der gleichermaßen Mut macht wie desillusioniert. „The Homesman“ steht insofern in einer Tradition mit neueren unbeschönigenden Western wie „No Country for Old Men“ oder „True Grit“– übrigens ist „True Grit“-Hauptdarstellerin Hailee Steinfeld („Enders Game“) hier als Anspielung in einer kleinen Nebenrolle ganz zum Schluss zu sehen.
Bruch mit Heile-Welt-Konventionen des klassischen Western
Sehr nuanciert agieren insbesondere Hilary Swank, die inzwischen fast schon auf tragische Rollen starker Frauen abonniert ist, aber auch Tommy Lee Jones, der als Regisseur wie Hauptdarsteller eine Rückbesinnung des amerikanischen Western auf einfache, bodenständige Geschichten einfordert und mit den Heile-Welt-Konventionen Hollywoods bricht.
Fazit: Ernüchternd – aber es lohnt sich
Der Zugang ist nicht immer einfach, auch, weil Jones das Warum des Wahnsinns in verschachtelten Rückblenden eher andeutet als erklärt. Aber sich darauf einzulassen, lohnt sich: Cineastisch wie erzählerisch ist „The Homesman“ eine Perle. Das Ende ist unorthodox, mag zunächst wie ein dramaturgischer Fehlgriff (ähnlich wie schon bei „True Grit“) wirken. Denkt man aber in Ruhe noch einmal darüber nach, ist es nur konsequent: Ein verwilderter Outsider mag auch die moralischen Seiten in sich wiederentdecken – zum klassischen Helden taugt er nicht. Autor: Heiko Weckbrodt
„The Homesman“ (Universum), Western, USA 2014, Regie: Tommy Lee Jones, mit Hilary Swank, Tommy Lee Jones, Miranda Otto, Meryl Streep, 122 Minuten, Bundesstart: 18. Dezember 2014, in Dresden derzeit im Programmkino Ost und im KiF
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