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Mit dem Licht-Skalpell durch den Schädel

Die Dresdner Laser-Veteranen Dieter Pollack (72) und Günter Wiedemann (70, v. l.) sonnen sich im Fraunhofer-IWS im Laserlicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Dresdner Laser-Veteranen Dieter Pollack (72) und Günter Wiedemann (70, v. l.) sonnen sich im Fraunhofer-IWS im Laserlicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner waren schon zu DDR-Zeiten Laser-Pioniere

Dresden, 26. November 2014: Viele Laser-Technologien, die heute sehr erfolgreich in der deutschen Industrie und Medizin eingesetzt werden, wurden schon zu DDR-Zeiten in Dresden mitentwickelt. So half das Dresdner „Zentralinstitut für Festkörperphysik und Werkstofforschung“ (ZFW), das erste Laser-Skalpell für Hirn-Operationen an der Berliner Charité zu konstruieren, entwickelte außerdem in den 1980er Jahren Laser-Härtungsverfahren für Dieselmotoren und Turbinenschaufeln, die heute – in weiterentwickelter Form – von Siemens eingesetzt werden. Der ZFW-Nachfolger „IWS Dresden“ erwirtschaftet heute in Fraunhofer-Regie einen wesentlichen Teil seiner Industrie-Erträge durch solche und andere Lichtverstärker-Technologien.

Industrieeinsatz ab den 1970ern an TU und bei Ardenne vorbereitet

Entwickelt wurden Lichtverstärker (Laser) bereits in den 1950er Jahren, vor allem in den USA. Ab 1960 waren dann die ersten Laser verfügbar. In der DDR beschäftigte sich ab den 1960er Jahren das „Zentralinstitut für Optik und Spektroskopie“ (ZOS) der DDR-Akademie der Wissenschaften (AdW) in Berlin mit Lasern, vor allem aus physikalischer Sicht. Ab etwa 1970 begannen dann in Dresden an der TU und im Privatinstitut von Manfred von Ardenne die ersten ernsthafteren Versuche, Lichtverstärker auch industriell zu nutzen.

Erst ab 1979 Serienproduktion von Industrielasern in der DDR

Erster Kohlendioxid-Laser der TU Dresden aus dem Jahr 1971 mit einer Leistung von damals 50 Watt. Repro: Heiko WeckbrodtErster Kohlendioxid-Laser der TU Dresden aus dem Jahr 1971 mit einer Leistung von damals 50 Watt. Repro: Heiko Weckbrodt

Erster Kohlendioxid-Laser der TU Dresden aus dem Jahr 1971 mit einer Leistung von damals 50 Watt. Repro: Heiko Weckbrodt

Zu den Pionieren gehörten Dieter Pollack und Günter Wiedemann: Die beiden TU-Forscher wollten zunächst den Zuschnitt und die Kantenbearbeitung in der ostdeutschen Textilindustrie durch Laser besonders präzise in einem Arbeitsgang erledigen zu lassen. „Anfangs sind mir mit unseren Textilproben ständig nach Berlin zum ZOS gefahren, weil nur die einen Laser hatten“, erinnert sich der heute 70-jährige Dr. Wiedemann. „Das konnte so nicht weitgergehen und deshalb haben wir uns unseren eigenen Laser gebaut.“ So entstand der erste Kohlendioxid-Laser der DDR außerhalb des ZOS. Ab 1979 stellte dann auch der VEB FEHA in Halle ähnliche Lichtverstärker für den Industrieeinsatz in Serie her.

Lasereinsatz in Textilindustrie scheiterte letztlich an niedrigen Löhnen

Einige der seinerzeit in Dresden entwickelten Textilschnitt-Lasertechniken wurden später auch zum Beispiel bei der Produktion von Regenschirmen, Zuckersäcken und dergleichen verwendet. Doch der Lasereinsatz in der DDR-Textilindustrie erwies sich letztlich eher als Sackgasse: Die Branche sollte vor allem durch Billiglohn-Auftragsarbeiten für den Westen Devisen erwirtschaften, bekamen aber von den kommunistischen Wirtschaftslenkern nicht genug Investitionsmittel zugewiesen, um sich Laser bei Stückpreisen um die 180.000 DDR-Mark leisten zu können – die ostdeutschen Arbeiter verursachten durch ihre niedrigen Löhne derart niedrige Kosten für die Planwirtschaft, dass sich kapitalintensive Technologie-Investitionen nicht zu lohnen schienen.

Dresdner Licht-Experten verlegten sich auf gehärtete Turbinen und Motoren

Hinter den Kulissen vereinbarten dann aber AdW-Professoren einen neuen Deal: Die ehemalige TU-Abteilung von Pollack und Wiedermann wurden 1981 samt ihrem Laser dem Dresdner ZFW zugeschlagen und beschäftigten sich fortan mit der Laser-Oberflächenveredelung für den breiten Industrieeinsatz. Sie entwickelten dort zum Beispiel lasergestützte Härtungsmethoden für die Dieselmotoren von Lokomotiven und für Kraftwerks-Turbinenschaufeln.

Erstes DDR-Laserskalpell mitentwickelt

Bereits 1979 hatten die Beiden am ersten Laserskalpell der DDR. „Chirlas 1“ wurde dann im Sauerbruch-OP-Saal der berliner Charité installiert und bald darauf auch für Schädel-Hirn-Operationen eingesetzt. „Wir durften da auch von außen zusehen“, entsinnt sich Wiedemann. „Wir haben aber extra darum gebeten, dass die Tür aufbleibt, damit wir schnell rausrennen können, wenn uns schlecht wird.“

TU verfolgte derweil Elektronik-Pfad

Parallel dazu verfolgten andere Forscherteams an der TU Dresden andere Laser-Pfade weiter – darunter auch Dr. Stefan Schneidewind, der heute Chef des Spezialhalbleiter-Unternehmens „Freiberger Compound-Materials“ (FCM) ist. „Ab etwa 1980 haben wir am Institut für Elektroniktechnologie beispielsweise Laserbohrungen an Leiterplatten und die Laserstrukturierung an Hybridverdrahtungsträgern auf Keramik oder Kunststoffmaterialien untersucht“, sagt Dr. Rolf Biedorf, der damals dort als Assistent tätig war. „Einen Laser hatte uns die Stasi etwa 1982 über Österreich unter Umgehung des Hochtechnologie-Embargos aus dem Westen besorgt.“ Einige der am TU-Institut entwickelten Lasertechnologien waren für die Produktion von Spezialschaltkreisen in den Keramischen Werken Hermsdorf vorgesehen.

Video vom 1. Dresdner Laser, der im "Lichtjahr 2015" präsentiert wird (hw):

Nach der Wende wurde Akademie abgewickelt, Fraunhofer stieg ein

Nach der politischen Wende allerdings wurde die Akademie der Wissenschaften aufgelöst. Fraunhofer-Gesellschaft (FHG) übernahm das ZFW 1990 und die Einrichtung in das „Institut für Werkstoff- und Strahltechnik“ (IWS) um. Das gehört heute – nicht zuletzt dank jahrzehntelang erworbenen Laser-Expertise – heute zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Fraunhofer-Instituten in Sachsen, beschäftigt jetzt knapp 200 Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter. Und wegen ihrer besonderen Beziehung zur Welt der Lichtteilchen, der Photonen, gehört das IWS auch zusammen mit den „Technischen Sammlungen Dresden“ (TSD) und dem „Theater Junge Generation“ (tjg) zu den Hauptorganisatoren des „Dresdner Lichtjahres 2015“. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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