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Kluges Licht statt Pillen hält Senioren bei Laune

Blick in die elektronik-Fertigung bei ECD. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in die elektronik-Fertigung bei ECD. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Elektronik-Firma ECD bereitet LED-Projekt in neuem Technikum vor

Dresden, 20. September 2014: Mit Lichttricks aus dem Computer wollen Dresdner Elektroniker in Altenheimen dafür sorgen, dass müde Senioren tagsüber mehr auf die Reihe kriegen und aufgeregte Rentner weniger Beruhigungs-Pillen schlucken müssen. Um dafür benötigten biometrischen LED-Systeme zu entwickeln, schmiedet das Technologie-Unternehmen „Electronic Components Dresden“ (ECD) derzeit ein Konsortium gemeinsam mit TU-Forschern und weiteren Partnern. Gefertigt werden sollen die photonischen Muntermacher unter anderem in einem neuen, rund 1,2 Millionen Euro teuren Reinraum-Technikum, das die ECD morgen im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee offiziell einweiht.

Video-Impressionen aus dem neuen ECD-Technikum (hw):

Kühles Morgenlicht macht fitter, Rotlicht beruhigt

Die physiologischen und psychologischen Muster hinter dem Konzept sind schon länger bekannt: Warmes Licht mit einem hohen Rot-Anteil wie bei einem nahenden Sonnen-Untergang signalisiert unserem Unterbewusstsein, dass es Abend wird und wir unser Hirn langsam in den Ruhemodus umschalten können. Kühles Licht mit starken Blaukomponenten, wie es morgens in der Natur vorkommt, erhöht dagegen unsere Aktivitäts-Niveau. Diese Effekte technologisch auszunutzen, war aber mit Neon-Röhren und anderen klassischen Leuchten bisher nur sehr aufwendig möglich und hat sich deshalb nie auf breiter Front durchgesetzt.

Studie: Richtiges Lichtprogramm halbiert Medikamenten-Dosis

ECD-Chef Klaus-Peter Orth. Foto: Heiko Weckbrodt

ECD-Chef Klaus-Peter Orth. Foto: Heiko Weckbrodt

Durch die rasanten Fortschritte der Leuchtdioden (LEDs) soll sich dies nun ändern: Die Dresdner Tüftler wollen Seniorenheime mit LED-Leuchten ausstatten, deren Farbtemperatur elektronisch regulierbar ist. Ein Zentralcomputer im Heim sorgt dann dafür, dass tagsüber Blau-Anteile in die künstliche Beleuchtung eingemischt werden, abends kommt die Rotlicht-Bestrahlung – und verstärkt damit gewissermaßen tagtäglich die Effekte des natürlichen Außenlichts. „Untersuchungen haben gezeigt, dass dadurch zum Beispiel die Medikation unruhiger Senioren halbiert werden kann, sie sind dann weniger von Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln abhängig“, berichtet ECD-Chef Klaus Peter Orth.

Bloß nicht übersteuern – sonst gibt’s Stress

Und das ist wohl auch noch nicht das Ende der Fahnenstange: Alles deute daraufhin, dass eine intelligente Lichtsteuerung in Büros auch zu einer Leistungs-Steigerung der Mitarbeiter führen kann, meint Orth. „Das funktioniert freilich nur, wenn man richtig regelt und es nicht übertreibt“, betont der 56-jährige Elektronik-Ingenieur und Geschäftsführer. Übersteuere man beispielsweise den muntermachenden Blau-Anteil im Bürolicht, während draußen die Sonne rötlich untergeht, könne dies eher zu unterbewusstem Stress in der Belegschaft führen. Daher sei für solchen trickreichen Lichtmanipulationen auch viel Know-How nötig.

Wohlfühl-Licht per iPhone steuern

Eine manuelle Vorstufe dieser Technik können die ECD-Ingenieure auch bereits vorführen, sie steht vor der Markteinführung: Dabei können Büro-LED-Leuchten per Computertelefon-Programm (Smartphone-App) in verschieden Farbtönen, in Kalt- oder Warmweiß von Hand gesteuert werden. Übertragen werden die Signale über eine bei ECD entwickelte WLAN-Funkbox an einem Beleuchtungs-Rechner.

Senior-Arbeiter brauchen doppelt soviel Lux

Solche intelligenten Leucht-Systeme seien auch eine wichtige Antwort auf den demografischen Wandel, die Überalterung der Gesellschaft, meint Orth. „Für einen typischen Arbeitsplatz werden heute Beleuchtungsstärken von mindestens 500 Lux empfohlen“, erklärt er. „Aber wenn man älter wird, braucht man eigentlich 1000 Lux, um vernünftig arbeiten zu können.“

Lampen „reden“ per Licht miteinander

Zudem könnten solche digital aufgerüsteten und richtig vernetzten Leuchtensysteme auch Energie sparen helfen – und zwar nicht allein durch den Einsatz der ohnehin sparsameren LEDs. So wollen die Dresdner Ingenieure ihre Systeme mit Sensoren koppeln, die erkennen, ob überhaupt ein Mitarbeiter im Büro ist, ob das Außenlicht vom Fenster ausreicht oder verstärkt werden muss, und dann automatisch dafür sorgen, dass die Leuchtdioden bei Bedarf gedämpft oder ausgeschaltet werden. Auch arbeiten die ECD-Tüftler an Lösungen, um die Leuchten ohne Signalkabel miteinander zu vernetzen, indem sie nämlich über ihr Licht selbst miteinander kommunizieren.

Wachstum durch LED-Technologien erwartet

AzubiRobert Ludewig lötet in im ECD-Werk LED-Ketten zusammen. Foto: Heiko Weckbrodt

AzubiRobert Ludewig lötet in im ECD-Werk LED-Ketten zusammen. Foto: Heiko Weckbrodt

Gerade von solchen neuen LED-Technologien erhofft sich Orth auch einen ordentlichen Schub für sein Unternehmen. Inzwischen macht dieses noch junge Geschäftsfeld etwa ein Drittel des Umsatzes aus – der große Rest entfällt auf GPS-Diebstahlssicherungen für Laster und Züge, Auftrags-Elektronikfertigungen und Kabelkonfektionierung. Für dieses Jahr rechnet der ECD-Chef mit über vier Millionen Euro Umsatz (plus 21 Prozent zum Vorjahr), für 2015 mit rund fünf Millionen.

Einstieg in Reinraum-Fertigung

Gegründet hatte er die ECD am 1. Oktober 1997, inzwischen beschäftigt sein Unternehmen im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee 48 feste Mitarbeiter und fünf Azubis. Davon kamen erst kürzlich sieben neue Leute an Bord, um das neue Entwicklungs-Technikum zu verstärken. Baubeginn an der Heidelberger Straße war im Dezember 2013. Der Zweigeschosser umfasst insgesamt 600 Quadratmeter Nutzfläche mit Entwickler-Büros und Laboren. Das Herzstück ist eine 200 Quadratmeter großen Reinraum-Produktionshalle, in der nun auch Eigenproduktionen und Kundenaufträge erledigt werden können, die Staub und anderen Schmutz nicht vertragen. Die Hälfte der 1,2-Millionen-Euro-Investition wurde durch Fördergelder finanziert. Orth: „So einen hohen Fördersatz haben wir bekommen, weil wir als sehr innovatives Unternehmen eingestuft worden sind.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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