Geschichte
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Parteisoldat durch und durch

Der Dresdner Stasi-General Horst Böhm bei einer Schul-Weihung. Repro: Heiko Weckbrodt

Horst Böhm absolvierte in kurzer Zeit eine steile Karriere im MfS. Hier im Foto ist der Dresdner Stasi-General bei einer Schul-Taufe in Dresdenn-Gorbitz zu sehen. Repro: Heiko Weckbrodt

Der rasche Aufstieg und tiefe Fall des Dresdner Stasi-Chefs Horst Böhm

Dresden, 11. Juli 2014: Vor 33 Jahren, Anfang Juli 1981, übernahm der damalige Oberst Horst Böhm das Kommando über die Dresdner MfS-Bezirksverwaltung – und unter seine Ägide verfolgte die hiesige Stasi Regimegegner stärker denn je. „In seiner Amtszeit wurden nachweisbar mehr Oppositionelle und ,Republikflüchtlinge’ verhaftet“, schätzt Dr. Thomas Widera vom Dresdner „Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung“ ein, der sich anhand von Quellenmaterial mit der Biografie zahlreicher Stasi-Offiziere vergleichend beschäftigt.

„Unnachgiebig“ gegen politische „Feinde“

Allerdings sei nicht allein auf die eigenwillige Persönlichkeit Böhms zurückzuführen, der als besonders „unnachgiebig“ in der Verfolgung politischer Gegner der SED galt. „In den 1980er Jahren hat die Unzufriedenheit der DDR-Bürger mit den herrschenden Verhältnissen generell zugenommen, daraus erklärt sich auch der höhere Verfolgungsdruck“, meint Widera. Auch hatte sich herumgesprochen, wie man ein zwar unbequemes, aber recht schnelles „Ticket“ gen Westen bekam: Immer mehr Ausreisewillige nahmen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre mit ihrer Kritik an Staat und Partei kein Blatt mehr vor den Mund – im Wissen, dass sie dafür zwar ein paar Jahre im Knast absitzen mussten, dann jedoch von der Bundesrepublik freigekauft werden würden.

General unterwarf sich klaglos demütigendem Partei-Ritual

Dr. Thomas Widera. Abb.: HAIT

Dr. Thomas Widera. Abb.: HAIT

Und für Stasi-Böhm war dies wie eine Steilvorlage: Erbarmungslos setzte er auch seine eigenen Mitarbeiter unter Druck, damit die mehr Leistung zeigten, sprich: mehr vermeintliche und echte Oppositionelle verhafteten, Beweise beschafften, „Feinde“ enttarnten. Das Klima in der Stasi-Bezirksverwaltung war zeitweise so angespannt, dass Böhm von seinen eigenen Leuten „da oben“ angezählt wurde. Dafür musste er sich 1988 sogar im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in Berlin und vor den Parteiorganen verantworten. Er kam zwar mit einem Rüffel davon. Aber gerade dieser Vorgang zeige auch deutlich das Verhältnis zwischen SED und Stasi im SED-Staat, meint Widera: „Da unterwarf sich ein hochrangiger General dem demütigendem Ritual von Kritik und Selbstkritik vor der Partei.“

Stets an Weisungen der Partei gehalten – und aufgestiegen

Hier sieht Widera auch einen zentralen Grund für die rasche Karriere Böhms in der Stasi-Hierarchie: „Böhm hat sich stets an die Weisungen der Partei gehalten, auch im Wendeherbst“, betont der Forscher. So sei anhand der Unterlagen keineswegs die vielkolportierte Annahme belegbar, dass vor allem General Böhm und die Stasi in der Bezirkseinsatzleitung als Scharfmacher auftraten, dass sie besonders auf das zunächst unbarmherzige Vorgehen der Polizei gegen die Ausreisewillige und dann Demonstranten im September und Oktober 1989 drangen. Vielmehr seien dies offensichtlich kollektive Entscheidungen der Vertreter von Polizei, Stasi und Partei gewesen – wobei das Primat bei Hans Modrow als SED-Bezirkschef lag.

Intelligent, eloquent – und tyrannisch nach unten

Böhm galt als hochintelligent, eloquent, eher kühl, leistungsorientiert und zielstrebig bis hin zur Tyrannei – ein Parteisoldat, wie er im Buche steht. Späte Fotos zeigen ihn immer wieder als Mann in typischer Offiziershaltung mit eisgrauem Haar. Am 11. Mai 1937 als Arbeiterkind in Zwickau-Planitz geboren, schlug er früh eine Stasi-Karriere ein. Mit 18 Jahren trat er ins MfS ein, absolvierte einen Zweijahres-Lehrgang an der Stasi-Hochschule in Potsdam-Eiche – und machte danach im ostdeutschen Geheimdienst rasch Karriere. Während andere Kommilitonen noch jahrelang als Feldwebel oder Leutnant herumkrebsten, wurde er mit 45 Jahren bereits in den Generalsrang befördert.

Führungsstil förderte „Arschkriecherei“

Hier putzte Böhm oft seine Untergebenen herunter: Das rekonstruierte Dienstberatungszimmer des Führungsstabs der Dresdner MfS-Bezirksverwaltung in der heutigen Gedenkstätte "Bautzner Straße". Foto: Heiko Weckbrodt

Hier putzte Böhm oft seine Untergebenen herunter: Das rekonstruierte Dienstberatungszimmer des Führungsstabs der Dresdner MfS-Bezirksverwaltung in der heutigen Gedenkstätte „Bautzner Straße“. Foto: Heiko Weckbrodt

Neben absoluter Treue zur Parteilinie waren es vor allem Böhms Intelligenz und Leistungsorientierung, die zu diesem schnellen Aufstieg führten. Nach „oben“ tat er sich mit straffer „Kaderführung“ hervor und verzichtete anscheinend auf jeden Widerspruch gegen die Worte von Vorgesetzten. Dagegen war er für seine Untergebenen ein – milde ausgedrückt – schwieriger Vorgesetzter. Erst hinter seinem Rücken und dann offen (innerhalb der Partei) warfen die ihm vor, keine anderen Meinungen gelten zu lassen, „Arschkriecherei“ zu fördern und andere herunterzuputzen, wo es nur ging. Doch vor allem eines rettete Böhm wohl letztlich immer wieder vor dem Karriereknick: absolute Parteitreue.

Widerstandslos Dienstpistole ausgehändigt

Umso tiefer war für ihn der Fall, als alles, wofür er „gekämpft“ hatte, in Scherben zerbrach, als die SED, als deren „Schild und Schwert“ sich bedingungslose Tschekisten wie Böhm verstanden, dem Druck des Volkes auf der Straße letztlich nachgaben. Als sich die Militärstaatsanwaltschaft wegen der Übergriffe auf Demonstranten und der Aktenvernichtung einschaltete und aufgebrachte Dresdner die einst so gefürchtete Stasi-Bezirkszentrale an der Bautzner Straße stürmten, leistete er keinen Widerstand. „Böhm sah völlig fertig aus“, erinnert sich Augenzeuge Herbert Wagner an den 5. Dezember 1989 – er war damals einer der Besetzer und wurde später Dresdens erster Nachwende-Oberbürgermeister. „Der Mann hat dann aber einem Mann aus dem Publikum, einem Herrn Schäfer, seine Dienstpistole ausgehändigt.“

Ende der Partei entzog ihm die Existenzgrundlage

Außen Bronze, innen Kunststoff: Büste von Feliks Dzierżyński. Foto: Heiko Weckbrodt

Stasi-Büste von Feliks Dzierżyński. Foto: Heiko Weckbrodt

Für den Stasi-General war eine Welt zusammengebrochen. Keine drei Monate später, am 21. Februar 1990, wählte er den Freitod – ähnlich übrigens seine Amtskollegen in Suhl und Neubrandenburg. Weil man der Stasi damals alles zutraute, entsandte die oppositionelle „Gruppe  der 20“ zwei Vertreter in Böhms Wohnung, um sich zu überzeugen, dass der General keine „falsche“ Leiche platziert und sich aus dem Staub gemacht hatte… „Böhm stellte die Partei über alles“, schätzt Widera ein. „In letzter Konsequenz entzog ihm das Ende der Partei die Grundlage der eigenen Existenz.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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