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„Digitales Erzählen“: Internet und Spiele verändern mediale Dramaturgien

Abb.: UVK

Abb.: UVK

Drehbuchschreiber beleuchtet in seinem Buch kleine und große Antworten auf den Medienwandel

Früher lasen die Menschen Zeitungen und Bücher, heute Internet-Schnipsel und Hörbücher. Ganz so einfach ist es zwar nicht, aber ein neuer Medienwandel ist zweifellos im Gange. Wie der die Gesetze des Fabulierens ändert, untersucht nun Dennis Eick in „Digitales Erzählen“ – und zwar ganz klassisch in einem Buch, ergänzt aber um eine Interseite. Dramaturgisch, so meint er, „werden die Grenzen zwischen Buch, Film und Computerspiel immer durchlässiger“. Gleichzeitig wachse im Internetzeitalter die Macht des Zuschauers als eigener Programmdirektor: „Er fertigt langweile Formate nach wenigen Sekunden ab und wendet sich etwas anderem zu.“

Viele interaktive Experimente waren teure Flops

Dabei macht es sich Eick nicht so einfach wie mancher Web-Krakeeler, der über „Totholz“-Medien und TV-Stumpfsinn schimpft, aber nur sehr vage Vorstellungen darüber hat, was er statt dessen will. Denn Eick ist selbst freier Autor und Dozent übers Drehbuchschreiben an den Unis Köln und Düsseldorf, kennt die Medienwelt daher aus der Praxis wie Theorie. Insofern ist sein Buch nicht plaudernde Polemik, sondern Analyse mit wissenschaftlichem Anspruch. So kennt er eben auch die vielen Versuche – vor allem seit den 1990er Jahren – sowohl großer Medienkonzerne wie aus dem Independent-Lager, neue transmediale interaktive Formate zu formen, Rezipienten zur interaktiven Beteiligung zu animieren oder zum Beispiel eBücher mit Links, Videos und anderen Medien zu spicken – von denen einige funktionierten, die allermeisten aber mit viel Aufwand erkaufte Flops wurden.

 

Dennis Eick. Abb.: privat

Dennis Eick. Abb.: privat

„Bislang dominiert im digitalen Bereich Unübersichtlichkeit … Der Konzern, der das am einfachsten strukturiertes und konsumfreundlichste Angebot entwickelt, wird das Rennen machen.“

 

 

 

Auch „Zurücklehn“-Formate weiter gefragt

Je jünger die Rezipienten sind, desto digitaler ticken sie, daher sollten sich neue interaktive Formate zuerst an diese Zielgruppe richten, folgert er aus diesen Erfahrungen. Zugleich solle man aber nicht verkennen, dass ein Großteil des Publikums auch weiter eine „Zurücklehn“-Unterhaltung wie im klassischen Fernsehen haben, nicht ständig zu Interaktionen genötigt werden wollen.

Neue Formate wie Webisodes etabliert

Und so sind es weniger die großen Würfe, als vielmehr die kleinen Schritte des Medienwandels, die er herausarbeitet und die als Vorbild taugen. Neue Formate des Netzzeitalters wie die „Webisodes“ (Beispiele: „Lost“, „Battlestar Calactica“, „Walking Dead„) etwa, die sich inzwischen etabliert haben, jene Mini-Episoden also, die zwischen den Staffeln von Erfolgs-TV-Serien im Internet gratis angeboten werden. Oder der Pfad des „Social-TVs“ etwa, bei dem Fernsehsender zum Beispiel während der Ausstrahlung einer Seifenoper zeitgleich Internet-Plattformen oder „Zweitbildschirm“-Apps bieten, um sich nebenbei mit anderen Zuschauern auszutauschen, um mehr über neue Protagonisten und Wendungen auf dem Bildschirm zu erfahren. Und die Erfahrung zeige: Probiere man neue Formate, müssten diese schnell zur Sache kommen, die Kriterien „überraschend“, „neu“ und „unterhaltsam“ bieten, sonst wende sich der Rezipient ab.

Videobeispiel: Zombie-PR für "Walking Dead" in der realen Welt:

Spiele sollen nicht Geschichte erzählen, sondern erlebbar machen

Bisher noch inkompatibel, aber mit ganz eigenen dramaturgischen Eigengesetzen, nähern sich von der anderen Seite Computerspiele dem TV- und Kinosegment an: Dort nämlich sind – zumindest im Vollpreis-Segment – immer anspruchsvollere Stories und filmreife Dramaturgien gefragt. Allerdings weniger, um Geschichten zu erzählen, sondern vielmehr, Geschichten von epischem Ausmaß für den Spieler erforschbar zu machen, so Eick. „Man muss begreifen, dass Spiele nicht besser geeignet sind als andere Medien, um Geschichten zu erzählen, aber Geschichten zu erleben“, zitiert der Autor mit Robert Walter einen Spieleforscher der Uni Dusiburg-Essen.

Fazit:

Abb.: UVK

Abb.: UVK

All diese Entwicklungen beleuchtet Eick facettenreich und in all ihrer Vielfalt, wobei er sich in seiner Analyse wohl weniger an bloße Rezipienten, als vielmehr an Medien-Kreatoren wendet. Kritisch anzumerken ist dabei, dass er Außenstehenden das Verständnis etwas schwer macht, das er gern und oft mit dem Denglisch-Slang der Branche um sich wirft und auch englische Zitate gar nicht erst übersetzt. Davon abgesehen, ist ihm eine interessante und kritische Analyse des modernen Erzählens gelungen – in all seinen Chancen und (bisherigen) Grenzen. Autor: Heiko Weckbrodt

Dennis Eick: „Digitales Erzählen – Die Dramaturgie der Neuen Medien“, UVK-Verlag Konstanz München, 2014, 252 Seiten, ISBN 978-3-86764-400-6, 25 Euro, eBook 20 Euro
 

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