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„DayZ“ – Überleben in der Zombie-Apokalypse

Im postapokalyptischen Russland kann hinter jeder Ecke ein Zombie lauern - oder ein böswilliger Scharfschütze. Abb.: Bohemia

Im postapokalyptischen Russland kann hinter jeder Ecke ein Zombie lauern – oder ein böswilliger Scharfschütze. Abb.: Bohemia

Ein modifiziertes Action-Spiel sorgt für einen weltweiten Hype

Die Sonne bahnt sich ihren Weg mit gleißenden Lichtfingern durch das rotbraun gefärbte Laub dieses kleinen Wäldchens hier irgendwo im russischen Hinterland. Der Wind rauscht durch die Äste. Ich höre und sehe meinen schweren Atem, während ich flach im feuchten Gras einer Lichtung liege und meinen Blick wie gebannt auf das Rollfeld des Militärflugplatzes direkt vor mir hefte. Der Lauf meines M4-Sturmgewehrs zittert im Takt meines rasenden Herzens.

Plötzlich lässt ein markerschütterndes Kreischen direkt hinter mir das Blut in meinen Adern gefrieren. Nicht schon wieder! Ich springe auf, tausche schnell die M4 gegen die schwere Feueraxt und strecke den an mich heranspringenden untoten ehemaligen Bewohner dieser vermeintlichen Idylle mit einem gezielten Schlag nieder. Trotzdem hat er mich irgendwie erwischt: Ich blute. Schnell krame ich eines der wenigen noch verbliebenen Verbandspäckchen aus meinem Militärrucksack und stoppe das warme Rinnsal an meinem Arm so gut es eben geht. Nur nicht noch mehr Blut verlieren, ich sehe eh schon alles grau und verschwommen. Außerdem knurrt mein Magen und die Kehle brennt. Wenn ich nicht bald etwas zu essen und zu trinken finde, werde ich hier draußen jämmerlich verhungern und verdursten. Falls mich die Zombies nicht vorher erwischen.

Werbevideo (Bohemia):

„Du bist tot!“

Plötzlich zerschneidet ein kurzer, trockener, metallischer Knall die Stille. Ein Scharfschütze! Schnell lass ich mich wieder ins Gras fallen. Noch ein Schuss! Diesmal viel näher. Ich höre wie das Projektil direkt an meinem Ohr vorbei zischt, kann aber nicht ausmachen, woher die Schüsse kommen. Noch eine Miniexplosion in meinem Kopf und mein Bildschirm wird schwarz : „Du bist tot!“. Die unmissverständliche, schnörkellose Meldung auf meinem Computermonitor verrät mir, dass ich auch diesmal wieder den Überlebenskampf in DayZ verloren habe.

Dichte Atmo sorgt für Herzrasen

„DayZ Standalone“ ist eine so genannte Mod (Modifikation) des PC-Spiels „Arma 2“, die sich noch im frühen Entwicklungs- und Teststadium („Early Access Alpha“) befindet, aber bereits jetzt verkauft wird und bei Spielern auf der ganzen Welt für einen unerwarteten Hype gesorgt hat. „DayZ Standalone“, das ausschließlich auf Servern als Mehrspielerversion gespielt wird, zieht seine Faszination vor allem aus einer unheimlich dichten und glaubwürdigen Atmosphäre sowie einem Spielprinzip, das anscheinend simpel gestrickt ist, den Spieler aber auf einer psychologischen Ebene in ihren Bann zieht. Nach nur wenigen Spielminuten ist das eigene Nervenkostüm so angespannt, dass jedes unerwartete Geräusch Herzrasen verursacht. Denn der Tod in DayZ hat Konsequenzen: Stirbt der Spieler, startet er bei Null. Nur mit Jeans und T-Shirt bekleidet und schon fast am Verhungern wird er irgendwo an der Küste der riesigen DayZ-Welt ausgesetzt. Alle Gegenstände und Waffen, die der eigene Charakter im vorangegangenen Leben erbeutet hatte, sind verloren.

Jeder kleine Sturz kann tödlich enden

Wer kyrillische Buchstaben lesen kann, ist im Vorteil. Abb.: survivedayz.de

Wer kyrillische Buchstaben lesen kann, ist im Vorteil. Abb.: survivedayz.de

Angesiedelt ist das Spiel in einem fiktiven Russland in einer Zeit nach einer Virenepidemie, die fast jedes menschliche Leben ausgelöscht hat. Die Artenvielfalt der Gegner in DayZ ist folglich durchaus beschränkt. Die einzigen NPCs (non playing characters), also vom Computer generierte Gegner, sind die allgegenwärtigen Zombies. Die Möglichkeiten zu sterben sind allerdings mannigfaltig: Nahrung und Getränke sind Mangelware. Demzufolge steht der Spieler ständig vorm Verhungern oder Verdursten. Auch wer wildes Herumspringen aus Ballerspielen gewöhnt ist, sollte schnellstens seinen Spiel-Stil ändern: Selbst das Herunterfallen von einer niedrigen Treppe führt zu gebrochenen Knochen oder im schlimmsten Fall dem sofortigen Tod. Folge der ständigen Zombie Angriffe ist zudem chronischer Blutverlust, der sich zwar relativ schnell mit Bandagen oder zerrissenen T-Shirts stoppen lässt, auf Dauer aber zu nachlassendem Sehvermögen und eingeschränkter Beweglichkeit führt, was dem Überlebenskampf alles andere als zuträglich ist. Alternativ kann man sich von einem Mitspieler eine Bluttransfusion verpassen lassen. Allerdings sollte man vorher sorgfältig das eigene und das Blut des Spenders getestet haben (vorausgesetzt man hat ein Blut-Test-Kit im Gepäck). Nicht passende Blutgruppen führen zum sofortigen Tod.

Im Spiel offenbaren sich Altruist und Heimtücker

Und dann sind da natürlich die menschlichen Gegner. Im Fall von „DayZ Standalone“ real existierende Mitspieler aus Fleisch und Blut, die irgendwo anders auf der Welt sitzen und DayZ zocken. Und hier wird das Spiel fast zur Sozialstudie, denn die Taktiken der Mitspieler sind so verschieden wie im realen Leben: Da gibt es die Altruisten, die mit dir auch noch ihr letztes T-Shirt oder ihre letzte Konservendose Bohnen teilen, um dich vorm sicheren Tod zu retten. Andere werden sich dir anschließen, um mit dir gemeinsam besser den Gefahren von DayZ widerstehen zu können. Neben diesen freundlich gesinnten Mitspielern gibt es aber natürlich auch die dunkle Seite der Spielergesellschaft: Einzelkämpfer, die dich gezielt mit dem Scharfschützengewehr ausschalten, ohne dass du deinen Mörder je zu Gesicht bekommst, um sich dann in aller Ruhe deiner Habseligkeiten zu bemächtigen. Oder die Spieler, die sich zu Gangs zusammenschließen, um so effektiver andere angreifen und ausrauben zu können. Unter letzteren ist es auch durchaus beliebt, Mitspieler nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, auszurauben und zu demütigen, um sie dann wieder in die unerbittliche Welt von DayZ zu entlassen.

Russisch-Kenntnisse hilfreich

Freund oder Feind? Abb.: Bohemia

Freund oder Feind? Abb.: Bohemia

Dies alles ermöglicht DayZ, da es keine Spielergemeinschaften vorgibt und auch keine Taktiken vorschreibt. Der Spieler ist frei in seinen Entscheidungen, was einen großen Teil der Faszination dieses Spiels ausmacht. Die Welt von DayZ ist letztendlich eine leere Landkarte, die der Mensch am PC selbst gestalten kann und muss. Apropos leer: Eine Übersichtskarte der riesigen DayZ Welt gibt es nicht. Zu allem Überfluss sind auch sämtliche Ortsschilder mit kyrillischen Buchstaben beschriftet. Spieler mit Russisch-Kenntnissen und einem natürlichen Orientierungssinn sind also durchaus im Vorteil.

Testversion noch etwas verbuggt

Die Bedienung des Spiels ist einfach gehalten. Die größte Herausforderung ist im Moment das frühe Teststadium der Software, was zu einigen lästigen aber verschmerzbaren Fehlern führt. Das Entwicklerteam von Bohemia Interactive veröffentlicht fast täglich Aktualisierungen, die Fehler ausmerzen und neue Gegenstände und Spielideen hinzufügen.

Opulente Grafik

Das Spiel glänzt vor allem durch seine opulente Grafik, die ein Eintauchen in die Welt von DayZ so überzeugend macht sowie das offene Spielprinzip und der ständig drohende und so folgenreiche Tod, der dem Spieler hundertprozentige Aufmerksamkeit und Konzentration abverlangt und die eigenen Nerven bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit strapaziert.

Die „Early Access Alpha“ Version des Spiels steht bei Steam für 23,99 Euro zum Herunterladen bereit. Das finale Spiel soll im Laufe dieses Jahres erscheinen und voraussichtlich für Käufer der Testversion kostenlos sein. Autor: Jan Gütter*

DayZ Standalone“ (Bohemia Interactive), Action-Mod, hier bei Steam erhältlich, nur für Volljährige zugelassen
 

Jan Gütter. Abb.: privat

Jan Gütter. Abb.: privat

* Unser Gastautor Jan Gütter ist Chef der Agentur „CATHERA“ und als Kommunikationsberater für Technologiefirmen tätig. Als Journalist betreute er früher u. a. die Multimedia-Seite der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ und war später Pressesprecher des Elektronikkonzerns AMD. In seiner Freizeit betreibt er u. a. das Foto-Blog „Film-Riss„.

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