Filmmärchen über Widerstand – und die Macht der Selbstinszenierung
Im ersten Teil der „Tribute von Panem“ bot die junge Jägerin Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) mit ein paar dunklen Beeren in den „Hungerspielen“ der Zukunfts-USA der Macht des Kapitols die Stirn – und überlebte. Und was hat sie davon? Nun äffen die Unterdrückten dieser Erde die Widerstandskämpferin wider Willen nach. Trotzige Graffiti-Sprayer malen ihre Spotttölpel-Brosche an alle Wände, kleine Mädchen ahmen ihre Zopffrisur nach, Verzweifelte rebellieren in den unterdrückten Distrikten, mit Katniss’ Lied auf den Lippen. Insofern ist auch „Catching Fire“, der nun auf auf DVD erschienene zweite Film zu Suzanne Collins’ dystopischer Jugendroman-Reihe, gleichermaßen Widerstands- wie Modemärchen, ganz ein Produkt unsere Casting-Show-Zeit: die verfilmte These, man könne mit schicken Mode-Accessoires, Selbstinszenierungen und Showauftritten Diktaturen zu Fall bringen.
Werbevideo (Studiocanal):
Verstorbener Seymour Hoffman als Spielemacher
Wer selbst in einer Diktatur gelebt hat, mag über diesen Tenor vielleicht zweifelnd die Stirn runzeln – und doch die Show genießen: Auch die neuen Hungerspiele sind fulminant, mitreißend und optisch toll in Szene gesetzt. Die Story in Kürze: Nachdem Katniss, Peeta und Mentor Haymitch (Woody Harrelson) ihre ersten Hungerspiele auf Leben und Tod überstanden, indem sie dem Live-Publikum an den Fernsehschirmen erfolgreich das „tragische Liebespaar“ vorgegaukelt haben, gilt Katniss im Zentrum der Diktatur von Panem als TV-Star und in dessen Peripherie als Hoffnungsträgerin für Umstürzler. Das merkt auch Präsident Snow (Donald Sutherland) rasch und beauftragt seinen neuen Spielemacher Plutarch Heavensbee (der kürzlich gestorbene Philip Seymour Hoffman), Katniss in neue, noch spektakulärer und gefährlichere Todesspiele zu stürzen. Doch statt das Mädchen zu metzeln, scheinen viele ihrer Gegner Katniss seltsamerweise zu unterstützen.
Lasziv-psychopathische Amazone
Unter denen sticht besonders Jena Malone als Johanna Mason hervor, die vielen noch aus dem Kult-Zeitreisefilm „Donnie Darko“ sei dürfte, und die hier als laszive und psychopathische Amazone brilliert. „Man hat ihr angemerkt: Sie hat nicht gespielt, wütend zu sein, sie war in ihrer Rolle voller Wut“, erzählt einer der Filmemacher in einer Doku der DVD-Edition, die eine ganze Scheibe voller Bonusmaterial enthält.
Fazit: opulent
Auch Francis Lawrence, der für „Catching Fire“Gary Ross als Regisseur ablöste, hat einen opulentes Stück Film mit hohem Unterhaltungswert hingelegt. Hineingegossen sind allerdings die gleichen Wermutstropfen wie im ersten Teil: Um die Einstufung „ab 12 Jahre“ zu erreichen, hat Hollywood viel von der bedrückenden Atmosphäre und Brutalität der Romanvorlage zu Gunsten von mehr Show weggelassen und begradigt. Gewonnen haben dafür die ausgebauten Rollen von Präsident Snow und Spielemacher Plutarch, die einfach top besetzt sind. Zudem werden die Panem-Fans gerade in der Studiocanal-Edition mit viel Bonusmaterial (Dokus über die Dreharbeiten, die Stunts, die Besetzung der neuen Rollen etc., Sammelkarten) belohnt. Autor: Heiko Weckbrodt
„Die Tribute von Panem 2: Catching Fire“ (Studiocanal), Regie: Francis Lawrence, mit Jennifer Lawrence, Philip Seymour Hoffman, Donald Sutherland, Johanna Mason, 146 Minuten plus Bonus-DVD, FSK 12, Doppel-DVD 15 Euro, Bluray 17 Euro
Zum Weiterlesen:
Begradigtes Kindersterben: 1. Teil der Panem-Trilogie auf DVD
Perfekt gestylt in den Tod – die Katniss-Romane
Facebook-Spiel zu den Hungerspielen
Bildergalerie:
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!