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Physikgesellschaft DPG: Technische Basis für Energiewende fehlt auf Jahre

Kein Rückenwind mehr: Das Geschäft mit Windturbinen lahmt. Foto: VEM

Wohin mit dem Ökostrom? Foto: VEM

Transfer und Speicherung von Solar- und Windstrom ungelöst

Bad Honnef, 20. Oktober 2013: Für die Energiewende in Deutschland werden über Jahre hinaus die technischen Voraussetzungen fehlen – soweit man unter Energiewende versteht, dass in naher Zukunft der überwiegende Teil des deutschen Energiebedarfs durch Solar- und Windkraftwerke oder andere „erneuerbare Energien“ gedeckt werden soll. Das geht aus einer Analyse der „Deutschen Physikalischen Gesellschaft“ (DPG) in Bad Honnef hervor.

Bisher 22 Prozent Ökostrom-Anteil

Demnach ist weniger die Erzeugung von Ökostrom das Problem, sondern dessen Transfer und Zwischenspeicherung. Laut DPG ist der Anteil erneuerbarer Energiequellen wie Windkraft, Photovoltaik und Biomasse an der Stromerzeugung seit dem Erlass des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch Subventionierung auf 22 Prozent im Jahr 2012 gewachsen. Diese Kapazitäten ließen sich auch innerhalb einiger Jahre deutlich ausbauen, wenn man noch stärker steigende Energiepreise in Kauf nimmt, die für zusätzliche Subventions-Volumina sorgen würden.

„Bio-Kraftwerke“ ökologisch umstritten

Als ökologisch und gesamtgesellschaftlich umstritten gilt allerdings die Förderung von Biomasse-Kraftwerken und „Bio-Sprit“: Letzterer fördert Raps-Monokulturen in der Landwirtschaft, während Biomasse-Kraftwerke wiederum wegen des niedrigen Brennwertes der verwendeten Stoffe wenig effizient sind, zudem oft mit giftigen Substanzen behandelte Holzabfälle verfeuern, also alles andere als emissionsfrei sind.

Wind und Sonne liefern nur wenige Stunden am Tag Strom

Die Führung in Peking will vor allem in der Inneren Mongolai neue Solarkraftwerke bauen lassen. Hier eine fpür 300 Megawatt projektierte Anlage bei Hohot im Norden Chinas. Foto: SEMI

Nicht der Kapazitätsausbau, sondern Transport und Speicherung des Ökostroms machen Probleme. Foto: SEMI

Das Hauptproblem liegt ohnehin eher darin, den Ökostrom zur rechten Zeit zum rechten Ort zu bringen: Pro Tag fallen in Deutschland rund 137 Gigawattstunden (GWh) Windenergie und 66 GWh Solarenergie (= reichlich 200 GWh Tageserzeugung) an. Windkraftanlagen liefern aber ihre volle Leistung durchschnittlich nur an 4,6 Stunden pro Tag, Solaranlagen an 2,3 Stunden pro Tag – und dies meist nicht zu den Zeiten des höchsten Energiebedarfs. Hinzu kommt, dass insbesondere aus kleinen Privatanlagen niedrige Gleichspannung mit einer ungünstigen Frequenz in das für Hochspannung bei 50 Hertz ausgerichtete Stromnetz ein.

Blackout-Gefahr: Schattenkraftwerke fahren ständig hoch und runter

Da aber per EEG Strom aus Wind- und Solarkraft vorrangig verwendet werden sollen, müssen „Schattenkraftwerke“ auf Basis fossiler Brennstoffe wie Kohle und Gas ständig hoch- und heruntergefahren werden, um die Leistungs- und Frequenz-Fluktuationen der erneuerbaren Energien auszugleichen – was die Effizienz dieser Schattenkraftwerke senkt. „Im Februar 2012 konnte ein durch den Ausfall von Sonne und Wind verursachter Zusammenbruch des Netzes, ein sogenannter „Blackout“, gerade noch verhindert werden“, weist die DPG auf mögliche Folgen hin.

Kaum 100 von 3600 km Trassen bisher gezogen

Diese Probleme könnten durch den Bau neuer Hochspannungs-Trassen – vor allem zwischen dem windreichen Norden und den Energie-Großverbrauchern im Süden – sowie durch große Strom-Zwischenspeicher gelöst werden. Pläne dazu gibt es zwar, aber diese wurden bisher nur zu einem Bruchteil realisiert. „Nach Berechnungen der Deutschen Energieagentur DENA ist dazu der Bau von mindestens 3600 Kilometern Höchstspannungsleitungen bis 2020 notwendig“, heißt es in der DPG-Analyse. „Bisher wurden weniger als 100 Kilometer davon gebaut.“

Proteste gegen Pumpspeicher

Die Rohrleitungen verbinden Ober- und Unterbecken des Pumpspeicherwerkes Wendefurth auf einer Fallhöhe von 126 Metern. Die Rohre haben einen Durchmesser von 3,4 Metern. Foto: Vattenfall

Pumpspeicherwerkes (hier: Wendefurth) stoßen oft auf Proteste von Naturfreunden und Anwohnern. Foto: Vattenfall

Ein weiterer wichtiger Baustein für die Energiewende wäre der Bau großer Stromzwischenspeicher. Als erprobt, groß genug und relativ effizient gelten Pumpspeicherwerke, doch alle Anlagen dieser Art in Sachsen, Bayern und im Schwarzwald können gerade mal 40 GWh zwischenspeichern, reichen also nur aus, um ein Fünftel des Tagesertrags aus Wind und Sonne zu speichern. Der Bau neuer Pumpspeicherwerke wie zum Beispiel des Schluchseekraftwerks bei Atdorf stößt jeden auf massiven Widerstand der Anwohner, während andere Pumpspeicher wie etwa in Niederwartha bei Dresden – mit Verweis auf hohe Netzengelte – von Vattenfall nicht modernisiert werden.

Gasspeicherung wenig effizient

Als mögliche Speicheralternativen werden zum Beispiel die Akkus von Elektroautos diskutiert oder die Elektrolyse von Wasserstoff aus Wasser durch Solar- und Windstrom. Diese „Power-to-gas-to-power“-Methode ist allerding wenig effizient, am Ende steht nur ein Drittel der eingesetzten elektrischen Energie wieder zur Verfügung.

PPG-Präsidentin Johanna Stachel. Foto: DPG

Johanna Stachel. Foto: DPG

DPG-Präsidentin Johanna Stachel: „Solange es keine aus-reichenden, effizienten und bezahlbaren Speichermöglichkeiten für den fluktuierenden Strom aus Wind- und Solaranlagen gibt, ist der Bau von Hochspannungstrassen von Nord nach Süd notwendig und vordringlich. Die Realisierung dieser Leitungen stellt eine große technische und finanzielle Herausforderung dar.“

 

 

 

Akku-Zwischenspeicher noch nicht marktreif

Ein Fraunhofer-Mitarbeiter justiert eine der neuen Redox-Flow-Batterien. Foto. Fraunhofer-UMSICHT

Ein Fraunhofer-Mitarbeiter justiert eine der neuen Redox-Flow-Batterien. Foto. Fraunhofer-UMSICHT

Als weitere Alternativen gelten große Akku-Systeme. Da sich Lithium-Ionen-Akkus, wie sie in Notebooks und Elektroautos verwendet werden, aber zu schnell erhitzen, wenn sie zu großen Einheiten zusammengesetzt werden, forschen unter anderem Fraunhofer-Wissenschaftler und Vattenfall-Ingenieure an großen Schwefel-Akkus und Redox-Flow-Batterien. Im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf will man zudem bald die Entwicklung von Flüssigmetall-Großakkus angehen. All diese Alternativen sind allerdings von echter Marktreife noch ein ganzes Stück entfernt. Fazit der DPG-Analyse: „Für die nächsten zehn Jahre wird es keine Möglichkeit geben, relevante Mengen elektrischer Energie effizient zu speichern.“ Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Höllischer Turbo für Elektroautos

Dumpingstreit mit chinesischer Solarindusrie

Ostsächsische Unternehmen drohen wegen steigender Stromkosten mit Abwanderung

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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