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„rvS1“ und „Identität“: Willkommen in der Dunkelheit

Szene aus "Identität", das in Adventure-Form Texte und handzeichnungen mixt. Abb.: R. Vogt

Szene aus „Identität“, das in Adventure-Form Texte und handzeichnungen mixt. Abb.: R. Vogt

Autor mischt interaktive Novelle mit Text-Adventure

Wir erwachen in der Dunkelheit. Wohin wir uns auch wenden: Wände. Da, ein Lichtschimmer, ein Spalt unter einer Tür! Offensichtlich sind wir in einer Zelle eingesperrt, mit einem Bett und einem Buch. Ist diese Zelle real, wurden wir entführt oder stecken wir in unserem Kopf fest, in unserem eigenen persönlichen Gefängnis? In „rvS1 – Die Zelle“ mischt Raphael Vogt das alte Text-Bild-Adventure mit der interaktiven Novelle und schreibt – wohl mit einem Schuss Selbstironie – „Kunst“ darüber.

Spartanisches Spiel mit Literatur

Denn technisch, das muss man gleich sagen, ist „rvS1“ nicht gerade der große Brüller, erinnert etwas an die Frühzeit der Heimcomputer – was allerdings durchaus seinen Charme hat. Vogt kommt es anscheinend vor allem darauf an, mit Literatur interaktiv zu spielen. Was auch heißt, dass wir viel zu lesen bekommen, sei es nun durch Romane, die wir in seinen Spielewelten finden, durch Tagebücher oder Notizen, die wir zwischen Kopfkissen finden. Dazu kommt natürlich auch das klassische „Benutz Glühbirne mit Lampenfassung“-Rätselspiel traditioneller Adventures, wobei „rvS1“ näher an einem interaktiven Buch als an einem Abenteuerspiel nach heutiger Lesart ist.

Werbevideo (R. Vogt):

rvS1 Game TRAILER from Raphael Vogt on Vimeo.

 

Dies gilt auch für das Vorgänger-Spiel „Identität“, in dem ein anonymer Wanderer an ein Haus und eine Stadt gelangt – auch hier sprechen wir von gezeichneten Bildern und keinen bewegten Animationen -, in dem er durch allerlei Fundstücke ein Leben, ein gedankliches Universum rekonstruiert – vielleicht sein eigenes?

Autor will Roman erlebbar machen

„Aus der Idee geboren, Fragmente eines längeren literarischen Textes digital – ursprünglich in Form einer interaktiven Webseite – zu präsentieren und damit einhergehender Schwierigkeiten bin ich sozusagen durch Umwege auf eine Spielentwicklungssoftware gestoßen“, erklärte Autor Raphael Vogt den Ursprung von „Identität“. Anstatt seinen fragmentarischen Roman im Netz zu publizieren, entschied sich der 37-jährige Künstler aus Oberbayern für die Veröffentlichung als Spiel. Seine Intention: „Literarische Inhalte optisch zu verdeutlichen sowie darin beschriebene Räume und Landschaften interaktiv erlebbar zu machen.“

In "rvS1" wacht der Spieler in einer düsteren Zelle auf (Bildschirmfoto aufgehellt). Abb.: R. Vogt

In „rvS1“ wacht der Spieler in einer düsteren Zelle auf (Bildschirmfoto aufgehellt). Abb.: R. Vogt

Teils viel Bleiwüste

Gewiss schützt der große Aufkleber „Wir machen Kunst“ wie auch der Umstand, dass beide Spiele kostenlos ladbar sind, vor überzogenen Erwartungen, man bekomme ein technisch aufwändiges 3D-Adventure vorgesetzt: Auch eine grafisch-interaktive Novelle hat natürlich ihren Reiz, gerade auch durch die eingebetteten Handzeichnungen. Allerdings sollte der Autor hier und dort noch feilen: Dass man an manchen Stellen in eine spielerische Sackgasse ohne Umkehr gelangt, halte ich für keine so gute Idee. Auch wäre an mancher Stelle weniger mehr, hätte ich mir mehr Layout-Raffinesse statt allzu langer und teils in recht kleinem Schriftgrad gehaltener Textpassagen gewünscht.

Fazit:

Beide Spiele sind minimalistisch gehaltene und eher experimentelle Kreuzungen zwischen Literatur und Spiel mit einem eigenen Reiz. Etwas Tuning am Miteinander von Text, Grafiken und Sound würde dem Ganzen aber sicher gut tun. Heiko Weckbrodt

rvS1“ und „Identität“ (Raphael Vogt), Text-Grafik-Adventures/ interaktive Novellen, kostenlos hier zum Download
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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