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Protonen-Wunderwaffe gegen Hirnkrebs

Die Visualisierung zeigt den Einsatz hochbeschleunigter Atomkerne beim Kampf gegen Hirntumore. AI Films

Die Visualisierung zeigt den Einsatz hochbeschleunigter Atomkerne beim Kampf gegen Hirntumore. AI Films

Uniklinik Dresden nimmt Teilchen-Beschleuniger in Betrieb, ab Sommer 2014 Therapiestart

Dresden, 17. September 2013: Für Patienten mit bisher unheilbaren Hirntumoren gibt es bald neue Hoffnung in Dresden: Das Forschungszentrum Oncoray am Uniklinikum hat gestern einen rund 300 Tonnen schwerem Protonen-Beschleunigerkomplex offiziell in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um die erste Anlage dieser Art in Ostdeutschland. Mit dem Koloss wollen die Krebsforscher ab Sommer 2014 bis zu 500 Patienten mit besonders heimtückischen Tumoren pro Jahr behandeln. Im Vergleich zu harten Röntgenstrahlen gelten Protonentherapien als viel zielsicherer und schonender.

„Eine echte Hoffnung auf Heilung“, lobte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) das Projekt. „Obwohl Krebs die zweithäufigste Todesursache durch Krankheit ist, ist das immer noch ein Tabuthema“, sagte er. Die neue Anlage werde vielen Patienten jedenfalls unmittelbar helfen, außerdem dazu beitragen, die Therapieforschung voranzubringen.


 

450.000 Deutsche erkranken jährlich an Krebs

Der Dresdner Protonenbeschleuniger dürfte wohl schon bald Patienten aus ganz Ostdeutschland anziehen: Bundesweit gibt es mit Heidelberg, Essen, München und jetzt Dresden nur vier Zentren, die die teure und aufwändige Protonentherapie anbieten können. Und angesichts von etwa 450 000 Deutschen, die pro Jahr an Krebs erkranken – fast die Hälfte dieser Erkrankungen (210.000 Todesfälle pro Jahr) endet tödlich -, dürfte die Nachfrage groß sein.

Kinder und Hirnkrebs-Patienten ganz oben auf der Liste

Der Teilchenbeschleuniger im Protonenstrahl-Therapiezentrum Dresden, OncoRay, Foto: Christoph Reichelt , Uniklinik Dresden

Der Teilchenbeschleuniger im Protonenstrahl-Therapiezentrum von OncoRay, Foto: Christoph Reichelt, Uniklinik Dresden

Zunächst wollen die Dresdner Onkologen vorzugsweise Patienten behandeln, deren Tumore im Hirn oder im Rückenmark sitzen, bei denen herkömmliche OPs oder Bestrahlungen sehr riskant sind, weil sie zuviel gesundes Gewerbe und Nerven ringsum schädigen können. Außerdem haben krebskranke Kinder Vorrang, da die Röntgenstrahl-Therapien selbst gerade bei jungen Menschen – teils mit jahrzehntelanger Verzögerung – Folgewucherungen auslösen können.

Forschungsprogramme sollen Erfolgsquote bei anderen Karzinomen klären

Aber auch Patienten mit anderen Karzinomen können sich Hoffnung machen, wenn sie an Forschungsprogrammen der Dresdner Onkologen teilnehmen. Die glauben nämlich, dass die Protonentherapie auch die Heilungschancen für Krebsarten jenseits des Nervensystems stark erhöhen können. Ein Beispiel wäre etwa der Bauchspeicheldrüsen-Krebs – an dem auch Apple-Gründer Steven Jobs starb -, weil dessen operative Entfernung stets das Risiko birgt, dass lebenswichtige Organe im Baumraum oder Hauptarterien dabei verletzt werden.

Klassische Protonen-Beschleuniger zu teuer und groß für kleine Klinken

Warum hat dann aber nicht jedes Krankenhaus einen Protonen-Beschleuniger? Die Antwort ist simpel: Solche Anlagen sind sehr teuer und brauchen viel Platz. Genaue Angaben wollten Uniklinik und der belgische Zyklotron-Lieferant IBA nicht machen, aber es dürfte sich um eine Gesamtinvestition von zirka 90 bis 100 Millionen Euro handeln.

Davon hat das Land Sachsen 32 Millionen Euro beigesteuert, vor allem für den Neubau des Oncoray-Zentrums, in das ungefähr 12.000 Kubikmeter Beton flossen und 1150 Tonnen Stahl verbaut wurden, um den schweren Beschleuniger zu stützen und strahlungstechnisch abzuschirmen. Den großen Rest hat das Uniklinikum aufgebracht, einen kleineren Teil das Bundesforschungsministerium.

Helmholtz-Forscher tüfteln an Superlaser für Protonentherapie

Während Terawatt-Bruder "Draco" nebenan berits fröhlich drauflos lasert, ist Petawatt-Superlaser "Penelope" noch in der Konstruktionsphase. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Während Terawatt-Bruder „Draco“ nebenan bereits fröhlich drauflos lasert, ist Petawatt-Superlaser „Penelope“ noch in der Konstruktionsphase. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Allerdings ist das neue Vorzeigegerät der Dresdner Mediziner erst der Anfang: In Kooperation mit „Oncoray“ basteln die Forscher des „Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf“ (HZDR) derzeit an einem einzigartigen Superlaser der Petawatt-Klasse, der die hausgroßen Protonenbeschleuniger auf das Volumen einer Wohnzimmer-Schrankwand schrumpfen und so drastisch verbilligen soll, dass sich künftig fast jedes Krankenhaus solch eine Krebstherapie leisten kann.

Wann der Prototyp, dessen Aufbau demnächst im HZDR beginnt, die nötige Kraft erreicht, ist derzeit noch nicht absehbar – jedenfalls wohl noch nicht 2014, war zu hören. Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Wie funktioniert der Protonen-Beschleuniger?

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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