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Dresdner Wälzlagertechnik jagt „Gremlins“ in Hightech-Anlagen

Michael Schwarz, Chef der Wälzlagertechnik Dresden, an der piezoelektronischen Prüfmaschine, die für das menschliche Ohr unhörbare Laufunruhen von Kugellagern ausmisst. Foto: Heiko Weckbrodt

Michael Schwarz, Chef der Wälzlagertechnik Dresden, an der piezoelektronischen Prüfmaschine, die für das menschliche Ohr unhörbare Laufunruhen von Kugellagern ausmisst. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresden, 6. August 2013. Maschinen scheinen manchmal ein magisches Innenleben zu pflegen, sind widerborstig, ohne dass eine vernünftige Fehlerursache zu finden ist – wer einen PC sein Eigen nennt, kann dies bestätigen. Und auch wenn dies Computernutzer vielleicht wenig tröstet: Hochprofessionellen Industrieingenieuren geht es manchmal nicht anders.

„Maschinenmagie“: Digitalantriebe graben Pflasterpisten in Kugellager

„Seit die großen Maschinenbauer auf digitale Antriebe umgestiegen sind, passierte es häufig, dass sich einzelne der in komplexen Anlagen verbauten Wälzlager immens schnell abnutzten“, erzählt Geschäftsführer Michael Schwarz von der Wälzlagertechnik (WLT) Dresden über solch ein Beispiel für „Maschinenmagie“. Nach einiger Knobelei fanden die Ingenieure das Problem: Die neuen digitalen Steuerungen gaben den rotierenden Teilen in kurzer Folge Befehle wie „An“ und „Aus“. Per elektromagnetischer Induktion führten diese Signale zu kleinen Stromflüssen in den Kugellagern, die wieder zu Lichtblitzen. Dies verschweißte die Kugeln in den Wälzlagern, die sich dann beim nächsten Maschinenanlauf wieder losrissen. „Die Folge war, dass sich in den Wälzlagern in kurzer Zeit regelrechte Kopfsteinpflaster bildeten“, berichtet Schwarz. Weshalb dieser Effekt allerdings nur in einigen Kugellagern auftrat, bei anderen aber nicht, ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Keramik statt Stahl: „Dagegen sind Glashütte-Manufakturen Grobschmieden“

In solchen Fällen kommen die Experten der Dresdner Wälzlagertechnik zum Einsatz: Sie ersetzen in den betroffenen Lagern die Stahlkugeln durch Keramikpendants – die sind leichter, lassen sich durch Induktion nicht beirren und sind bis auf Zehntel Mikrometer präzise herstellbar. „Dagegen sind die Glashütter Uhrenmanufakturen Grobschmieden“, meint der Wälzlagerchef augenzwinkernd. Allerdings sind diese Keramikausführungen auch etwa zehnmal so teuer wie ihre Stahl-„Kollegen“.

An allen Stellschrauben drehen, um sich von Konkurrenz abzusetzen

Doch gerade solches Know-How, Probleme zu lösen, hat den Dresdnern eben solche Kunden wie die Chipfabriken von Infineon, den Hightech-Anlagenhersteller „Von Ardenne“ oder die Elbe-Flugzeugwerke eingetragen: „Wer sich mit seinen Anlagen von der Konkurrenz abheben will, muss an vielen kleinen Stellschrauben drehen, um seine Maschine besser, schneller oder langlebiger zu machen“, erklärt Schwarz. „Und optimal eingestellte Kugellager sind ein ganz wichtiger Punkt.“

Da sind dann die besonderen Werkstoffe, die modernsten Konstruktionsprinzipien und idealen Schmierstoffe gefragt, mit denen die „Wälzlagertechnik“ dafür sorgen, dass von ihnen optimierte Anlagen wirklich „rund“ laufen und besondere Leistungen bringen. „Unsere Wälzlager kommen auf die dreifache Lebensdauer wie Standardprodukte“, sagtder WLT-Chef.

Kistelnagelautomat drohte an DDR-Mangelwirtschaft zu scheitern

Gebaut ist dieses Versprechen auf jahrelange Erfahrung und moderne Ausrüstung. Nach seinem Maschinenbaustudium an der TU („Das sollte ich eine automatische Kisten-Zusammennagelmaschine konstruieren, bekam in der DDR-Mangelwirtschaft aber nirgends Kugellager“) gründete Schwarz 1990 die WLT in einem ehemaligen VEB-Clubraum an der Grenzstraße und scharte seitdem Experten um sich. 1997 zog das wachsende Unternehmen in eine frühere Möbelfabrik im verwinkelten Industriegelände Dresden-Nord um und investiert dort. Ein neues Bürogebäude wurde kürzlich eingeweiht, im Zuge des „Ökoprofit“-Projektes kamen Wärmepumpen, LED-Technik und andere energiesparende und umweltschonende Details hinzu. Und Schwarz ließ auch besondere Messtechnik in der Produktionshalle installieren. Die misst den ruhigen Lauf von Wälzlagern so präzise, dass die WLT inzwischen auch Prüfaufträge von Bosch, Thyssen-Krupp und anderen Branchengrößen erhält.

Erfolgreich in der Nische

Das Unternehmen ist zwar eher klein geblieben, beschäftigt derzeit zehn Mitarbeiter bei zwei Millionen Euro Jahresumsatz, hat sich aber in seiner Nische vor allem unter mittelständigen Kunden einen guten Ruf erarbeitet. „Wir liefern Qualität und auch kleinere Serien, für die die großen Wälzlagerfabriken gar nicht erst ihre Taktstraßen anschalten würden“, erklärt sich Schwarz diese Erfolgsgeschichte. Und die will er fortschreiben: Seit einiger Zeit kümmert sich die WLT auch um die Regeneration von Roboter-Baugruppen und demnächst werden noch mal rund 150 000 Euro in neue Lager- und Laserschweißtechnik investiert.

Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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