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Sachsen steckt 144 Millionen Euro in Dresdner TU-Umbauten

Reinraum-Forschung an TU Dresden.Foto: TUD/Eckold

Reinraum-Forschung an TU Dresden.Foto: TUD/Eckold

Campus im Campus: Uni organisiert sich nach „School“-Prinzip neu

Dresden, 21. Juni 2013: Im Dresdner Norden entwickelt sich die Nöthnitzer Straße immer mehr zu einer Technologie-Forschungsmeile: Dort bauen außeruniversitäre Einrichtungen wie die Physikinstitute der Max-Planck-Gesellschaft und das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) peu à peu ihre Präsenz aus und auch die Technische Universität (TU) konzentriert dort mehr und mehr modernste Elektronikforschung. Dies ist Teil einer TU-Exzellenzstrategie, ihre Institute nach angloamerikanischen Vorbild in „Schools“ zu organisieren und durch Neu- und Umbauten zu Campus im Campus zusammenzuziehen. 2013/14 bezuschusst der Freistaat Sachsen die Bauprojekte der TU mit 144 Millionen Euro.

„Krrrrh…“ Der Mann mit dem Helm auf dem Kopf und den gelben Stöpseln im Ohr hält kurz inne, hebt lässig die Hand zum Gruße – und drückt wieder den Abzug. Laut brummelt sich die Bohrmaschine weiter durch die Laborverkleidung. Dass all die Bauleute im neuen Elektronik-Technikum an der „Nöthnitzer“ so mit Volldampf werkeln, hat guten Grund: In einem halben Jahr muss hier alles blitzeblank sein, herrschen Reinraumbedingungen, wuseln Forscher in kosmonautenartigen Anzügen durch diese Flure.

Der Mierdel-Baudr Eektroechniker (r.) bekommt mit em Forschngstrakt (l.) und dem Reinraum-Technikum zwei große Anbauten. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Mierdel-Baudr Eektroechniker (r.) bekommt mit em Forschngstrakt (l.) und dem Reinraum-Technikum zwei große Anbauten. Foto: Heiko Weckbrodt

Reinräume für die Elektroniker

„Im November wollen wir das Technikum und das neue Forschungsgebäude nebenan an die Fakultät übergeben“, sagt Carola Klotz vom Staatsbetrieb „Sächsisches Immobilien- und Baumanagement“ (SIB), die die Riesenbaustelle „TU Dresden“ überwacht. Über 40 Millionen Euro werden bis dahin in die beiden Neubauten neben dem Mierdel-Bau der Elektrotechniker und dem Nanoelektronik-Labor „Namlab“ geflossen sein.

Eine stattliche Summe – und doch nur ein Ausschnitt im Hightech-Wachstum an der Nöthnitzer Straße, die einst den TU-Campus nach Süden hin abschloss. Schräg gegenüber fallen gerade die Baugerüste für halbunterirdische und 5,3 Millionen Euro teure Technikum des IFW, das den Leibnizforschern mehr Platz für ihre Tüfteleien an idealen Stromleitern, neuen Materialien und Nanostrukturen bieten wird. Ein Stück weiter gen Süden, hinter der knallgrünen Informatikfakultät, hat TU-Rektor Prof. Hans Müller-Steinhagen erst vor wenigen Tagen den Grundstein für einen 45 Millionen Euro teuren Supercomputerkomplex gelegt. Auch die Max-Planck-Institute für Chemische Physik fester Stoffe und für komplexe Systeme am westlichen Ende der Straße haben jüngst erst ihre Labore und Gästehäuser erweitert.

Spitzenforscher zieht’s zur Technologiemeile

Wirkt für viele wie Sonnenlicht: eine OLED-Leuchte. Abb.: Novaled

Wirkt für viele wie Sonnenlicht: eine OLED-Leuchte. Abb.: Novaled

Und die nächsten Projekte stehen vor der Tür: Ab dem Frühjahr 2014 setzt der SIB den Photophysiker an der Ecke von Helmholtz- und Nöthnitzer Straße einen 30 Millionen Euro teuren Neubau hin – auf ausdrücklichen Wunsch von Organik-Papst Prof. Karl Leo an der Technologiemeile, wie SIB-Niederlassungsleiter Ulf Nickol erzählt. Bei Professor Gerhard Fettweis, der das neue – bisher hauslose – Exzellenzentrum für fortgeschrittene Elektronik (cfaed) leitet, sei es nicht anders gewesen. Der Mobilfunk- und Chipexperte wird voraussichtlich in einer Erweiterung des Barkhausen-Baus residieren. Baubeginn ist allerdings laut Nickol „frühestens Anfang 2015“.

Ein kleines Schmankerl am Rande: Zwischen all diesen energiehungrigen Reinräumen und Elektroniklaborn bauen TU und Freistaat auch einen Trafo-Punkt in Form einer Elektrospule, die diese Neubauten direkt aus dem 20-Kilovolt-Netz mit Strom versorgen wird. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: „Hier ist noch Platz für zwei weitere Forschungsgebäude“, zeigt Nickol vom dritten Geschoss des Elektroniktechnikums gen Bergstraße. Ein Bebauungsplan für dieses Areal werde derzeit vorbereitet.

100 Jahre lang Quecksilber-Instrumente zerdeppert

Verlassen: Der alte Hörsaal im quecksilberverseuchten Foerster-Bau. Foto: Heiko Weckbrodt

Verlassen: Der alte Hörsaal im quecksilberverseuchten Foerster-Bau. Foto: Heiko Weckbrodt

Aber auch anderswo auf dem TU-Campus rücken Institute mit verwandten Forschungsinteressen räumlich zusammen. So sind inzwischen die Chemiker aus dem Fritz-Förster-Bau an der Mommsenstraße ausgezogen und nun in Neubauten und sanierten Altbauten nebenan untergebracht. Der Försterbau selbst – ein mit Quecksilber verseuchtes Jugendstil-Klinkergebäude – wird für 27 Millionen Euro saniert. „Hier haben fast 100 Jahre lang Chemiker geforscht und da sind immer wieder Messinstrumente mit Quecksilber zu Bruch gegangen“, erklärt Nickol die Kontamination. „Das Gift hat sich überall festgesetzt. Das erste Gutachten hat das Gebäude noch für unsanierbar erklärt – aber wir haben inzwischen eine Sanierungsmethode gefunden.“

Im Innern strahlt das entvölkerte Gebäude momentan noch den morbiden Charme eines Zellentraktes oder einer Versuchsanstalt der 1920er Jahre aus: Dunkle Gänge, von denen Kabuffs mit verlassenen Labortischen und vergammelten Becken abzweigen. Ein tiefer Hörsaal wie ein Bombentrichter, in dem die letzten Studenten aus Jux und Dallerei die Pulver-Feuerlöscher versprüht haben – nur das vergilbte übermannshohe „Periodensystem der Elemente“ hoch oben über der Tafel blieb verschont. In zwei Monaten beginnt die Sanierung, an deren Ende helle Büros für die Exzellenzforschungs-Verwaltung der TU und ein moderner Hörsaal stehen sollen.

Kalkulierte Katastrophen für die Wasserbauingenieure

Bisher nur im kleinen Modell möglich: Für die Wasserbauer entsteht eine 50 Meter lange Flut-Simulationsrinne. Foto: Eckoldt/TUD

Bisher nur im kleinen Modell möglich: Für die Wasserbauer entsteht eine 50 Meter lange Flut-Simulationsrinne. Foto: Eckoldt/TUD

Bereits lautstark gebaggert und gerackert wird ein paar Hundert Meter weiter an der Georg-Schumann-Straße: „Rummms“ frisst sich ein Stahlarm durch eine halb abgerissene Werkstatt. „An dieser Stelle entsteht eine Wasserbauhalle mit einer morphologischen Rinne“, erzählt SIB-Projektbetreuerin Simone Dietzsch. Eine „morphologisch Rinne“? Hä? Die Verwirrung löst sich bald auf: Die Wasserbauingenieure wollen dort Hochwasser-Katastrophen simulieren. Dafür bekommen sie eine 50 Meter lange Rinne, die mit „morphologischen“ Merkmalen des simulierten Flusses wie Brücken oder Hindernissen ausgestattet werden kann. Ist das Szenario fertig, springt ein großes unterirdisches Pumpwerk an und schiebt aus einem riesigen Wassertank eine Flut durch diese Rinne – damit die Wasserbauer neue Erkenntnisse für den Hochwasserschutz sammeln können.

Und rings um die Wasserhalle entstehen derzeit weitere Technika, Büros und Labore für Experten aus dem gesamten Bauingenieurwesen, die teils bisher über den ganzen Großraum Dresden verteilt sind: ein Glasklebelabor zum Beispiel, eine Baustoff-Versuchshalle, Hallen für die Textilbeton-Forscher der TU und dergleichen mehr.

TU hofft auf Synergie-Effekte durch School-Prinzip

All diese Bauprojekte sind mehr als nur Flickwerk oder bloße Erweiterungen, sondern folgen einem System, wie TU-Sprecherin Kim-Astrid Magister betont: „Als Teil unserer Exzellenz-Initiative fassen wir unsere 14 Fakultäten zu Bereichen zusammen“, sagt sie. Durch dieses „School“-Prinzip, wie es im englischsprachigen Raum schon lange an den Unis praktiziert wird, sollen sich Synergien zwischen nahe verwandten Disziplinen ergeben, sich Forscher und Dozenten auf kurzen Wegen besser austauschen können.

Prof. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden, jubelt beim Exzellenzzuschlag für seine Uni. Abb.: Exkold, TUD

Prof. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden, jubelt beim Exzellenzzuschlag für seine Uni. Abb.: Eckold, TUD

„Die Idee der Bildung von Bereichen steht unter der Überschrift: Mehr Eigenständigkeit, mehr Synergien, mehr Interdisziplinarität, mehr Spielräume“, erklärt TU-Rektor Prof. Müller-Steinhagen. „Die Bereiche werden mit wesentlich größerer Flexibilität und Unabhängigkeit in Hinblick auf Personal, Finanzen sowie strategische Planung ausgestattet, als dies bisher für die Fakultäten der Fall ist. Speziell für die Forschung bedeutet dies beispielsweise die Förderung gemeinsamer Forschungsprojekte, die Entwicklung einer gemeinsamen Forschungsinfrastruktur und auch die Umsetzung neuer, gemeinsamer Doktoranden-Programme.“ Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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