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Hightech-Eisenbahn in der Globalfoundries-Chipfabrik Dresden

Wegen des hohen Automatisierungsgrades wirkt der Globalfoundries-Reinraum nicht so wuselig wie andere Chipfabriken. Hier ein Blick auf die Lithografie, in der die Chipstrukturen auf den Wafern belichtet werden. Foto: Karin Raths, Globalfoundries Dresden

Wegen des hohen Automatisierungsgrades wirkt der Globalfoundries-Reinraum nicht so wuselig wie andere Chipfabriken. Hier ein Blick auf die Lithografie, in der die Chipstrukturen auf den Wafern belichtet werden. Foto: Karin Raths, Globalfoundries Dresden

Zu Besuch in einem Werk, das nie schläft

Dresden, 17. Mai 2013: Der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) betreibt in Dresden die wohl größte und modernste Chipfabrik Europas – Vergleichbares hat höchstens Intel im irischen Leixlip zu bieten. Oiger-Redakteur Heiko Weckbrodt hat sich in Reinraumschale geworfen und angeguckt, wie die Prozessoren in vielen unserer Computern entstehen.

Fast 4000 Menschen in „Bunny Suits“

Der Globalfoundries-Fabrikkomplex in Dresden: Die Erweiterungen (Mitte hinten) sind baulich weitgehend fertig, die Reinraumbrücken, die alle Module verbinden, sind auch schon erkennbar. Abb.: Globalfoundries

Der Globalfoundries-Fabrikkomplex in Dresdem aus der Luft. Abb.: Globalfoundries

Gelb schimmert uns das ewige Licht der Lithografie von der anderen Seite der Reinraumbrücke entgegen. Ein Licht, das nie verlischt: Die Chipfabrik von Globalfoundries im Dresdner Norden schläft nie. In rollender Woche spuckt sie Tausende, Millionen Prozessoren aus, die später in PCs, Handys und anderen wundersamen Gerätschaften verbaut werden. Etwa 3850 Menschen arbeiten hier und ein paar kommen uns gerade entgegen: Vermummt bis auf die Augen in ihren blauen und weißen Reinraum-Anzügen, die sie intern scherzhaft „Bunny Suits“ nennen. Ob Männlein oder Weiblein, erkennt man erst, wenn sie sich bewegen – oder der Besucher genau auf den kleinen Foto-Ausweis auf der Brust schaut.

Die haben jetzt das Gleiche vor sich, wie ich es eben durchgemacht habe – nur schneller und in umgekehrter Reihenfolge: Bis auf die Unterwäsche ausziehen, eine Art Trainigsanzug an, Gamaschen über die Füße, durch Desinfektionen, Klebematten und Schleusen hindurch, in genau festgelegter Reinfolge Reinraumanzug, Kapuze, Mundschutz und Sauberschuhe an… Etwa eine halbe Stunde hat es gedauert, bis ich mich in Schale für den Reinraum geworfen habe. So genau kann ich das nicht mal sagen: Sogar meine Uhr musste ich zurücklassen –viel zu dreckig für die Chipproduktion, in der wenige eingeschleppte Staubteilchen reichen, um ganze Chip-Siliziumscheiben (Wafer) im Wert eines Mittelklasse-Wagens zu ruinieren.

Videoimpressionen aus der Fabrik (GF/hw):

Chip-Scheiben düsen per Automaten-Express durch die Fabrik

Mit fertigen Wafern beladen, enthält jeder Wagen (Foup) den Gegenwert von etwa sechs "VW Golf". Foto: Karin Raths, Globalfoundries

Mit fertigen Wafern beladen, enthält jeder Wagen (Foup) den Gegenwert von etwa sechs „VW Golf“. Foto: Karin Raths, Globalfoundries

„Wuuubbb“ sirrt es von oben, kaum dass wir die Schleuse zum Allerheiligsten, der Belichtungsabteilung (Lithografie) passiert haben. Oben pfeift ein schwarzer Kasten in der Größe eines Kinderwagens vorbei. Die sogenannten FOUPs („Front Opening Unified Pod“) tragen bis zu 25 Chip-Wafer, schleppen also mit jedem Transport etwa den Wert von sechs VW-Golfs durch die riesige Fabrik, die ein 19 Kilometer langes Hightech-Schienensystem unter der Decke durchzieht. Sogar einen eigenen „Rangierbahnhof“ gibt es für die insgesamt 650 Automatenwaggons. Im Eiltempo schleppen diese Kisten die Wafer von einem Prozessschritt zu anderen. Und das können – je nach Chip-Art – Hunderte Schritte sein.

Viele andere Chipfabrik-Manager weltweit beneiden die Dresdner um dieses Murata-Transportsystem und den hohen Automatisierungsgrad hier. Denn selbst Be- und Entladung der Transporter und Anlagen geschehen von Roboterhand. „Und da darf nicht der kleinste Fussel am Roboter dran sein – das würde einen katastrophalen Kratzer auf dem Wafer hinterlassen“, erklärt mir mein Reinraum-Führer Dr. Wolfgang Lippik – der Ingenieur ist hier schon seit 15 Jahren an Bord, schon seit jener Zeit, als diese Reinräume noch AMD gehörten.

Mehrere Millionen Euro – pro Anlage!

Autor Heiko Weckbrodt (l.) und Reinraumführer Wolfgang Lippik. Foto: Karin raths, Globalfoundries

Autor Heiko Weckbrodt (l.) und Reinraumführer Wolfgang Lippik. Foto: Karin raths, Globalfoundries

Ein wenig fühle ich mich an Science-Fiction-Filme erinnert, während er mich weiterführt. Und diesen Eindruck bestärken nicht nur die vielen Roboter: In schier endlosen Gängen ist Anlage an Anlage aneinandergereiht, von denen jede irgendwas zwischen 20 und 40 Millionen Euro gekostet hat. Kein Wunder, dass weltweit immer weniger Mikroelektronik-Konzerne im Wettlauf um immer modernere Chipwerke mithalten können: Großfabriken (Mega-Fabs) wie die von GF in Dresden kosten mittlerweile mehrere Milliarden Euro.

Ein Arbeitsleben im ewigen Gelb

Zwischen all diesen sauteuren Maschinen tippen, stellen und regeln lässig zurückgelehnte Vermumme an Computern herum, drehen Mausbälle. Einige haben sich Kopfhörer aufgesetzt, was dem Ganzen den Anstrich eines Kommandozentrums oder eines riesigen U-Boots im Gefechtszustandes gibt. Nur dass das Licht hier eben nicht rot, sondern gelb ist: Tageslicht würde die komplizierten Bestrahlungsschritte, mit denen die Strukturen auf den mit Foto-Lacken beschichten Wafern erzeugt werden, zunichte machen.

„Mich würden das Gelbgeschimmer und die Vermummung auf Dauer wahnsinnig machen“, denke ich – aber die Profis scheint das schon längst nicht mehr zu jucken. „Daran gewöhnt man sich“, versichern mir immer wieder die Reinraum-Arbeiter.

Verätzt, beschossen, geschrubbt: Der harte Weg der Chips

Gottlob haben sich andere Anlagen hier nicht so etepetete mit Tageslicht, wie ich in den anderen Abteilungen sehe. Sind die gewünschten Chipstrukturen per Maskenbelichtung in der Lithografie im Lack eingebrannt, schwemmen Trocken-Ätzbäder diese fixierten Linien und Schaltbilder weg. Dann werden die Wafer mit Atomen und Verbindungen aus Kupfer, Titan, Wolfram oder anderen Elementen beschossen, bis an den richtigen Stellen Leiterbahnen, Minischalter und andere Bauelemente entstanden sind.

Und so geht es Schicht auf Schicht – und zwischendurch wird richtig geschrubbt. Das kann man in der Polierabteilung sehen, deren Anlagen zu den wenigen hier gehören, in die man hineinschauen kann. Auch hier übernehmen Roboter die „Drecksarbeit“, ziehen sanft die Siliziumscheiben aus den FOUP-Waggons, drehen sie wie eine Schallplatte, während eine Spezialpaste alle Unebenheiten wegpoliert. „Das muss sehr genau geschehen“, betont Standort-Sprecherin Karin Raths. „Wenn so ein Wafer die Größe Dresdens hätte, müssten sie die Stadt bis auf zwei Millimeter genau einebnen.“

An der Kette vom Sand zum Chip hängen viele Tausend Jobs weltweit

An der Kette vom Sand zum Smartphone hängen Tausende Jobs. Montage: hw

An der Kette vom Sand zum Smartphone hängen Tausende Jobs. Montage: hw

Sind alle Schichten aufgebracht und alle Schaltelemente – von denen die kleinsten nur wenige Millionstel Millimeter (Nanometer) klein sind – erzeugt, werden die Wafer luftdicht verpackt und treten ihren Weg zu den sogenannten „Backend“-Fabriken in Asien an. Dort werden die Scheiben dann zu einzelnen Prozessoren zersägt, mit Kontakten und Gehäusen versehen und schließlich den Auftraggebern überreicht – die daraus Notebooks, Computertelefone, Fernseher und andere Elektronikgeräte bauen, die dann irgendwann bei uns im Wohnzimmer landen. Insofern sind all die tage- oder oft sogar wochenlange Prozesse im Dresdner GF-Werk zwar das Herzstück, aber eben nur ein Teil einer langen, langen Kette vom Siliziumsand bis zur fertigen Heimelektronik, an der viele Tausend Arbeitsplätze rund um den Erdball hängen.

Im Erweiterungstrakt stehen schon die Bauteile für das Wafer-Transportsystem bereit. Foto: Karin Raths, Globalfoundries

Im Erweiterungstrakt stehen schon die Bauteile für das Wafer-Transportsystem bereit. Foto: Karin Raths, Globalfoundries

Doch schon allein der Marsch durch den Teil, der die Dresdner Fabrik ausmacht, hat mich fußlahm gemacht. Ich bin heilfroh, als wir wieder in der Umkleide sind, ich meine Uhr und meine Zigaretten wiederhabe – Rauchen ist im Reinraum natürlich strengstens verboten – und endlich wieder die Sonne da draußen sehe. Wäre da nicht dieses irritierende Geräusch: Pfeift hier etwa der Wind durch die Hütte? „Das ist ein menschengemachter Wind“, erklärt mir Dr. Lippik, während wir wieder ins „Zivil“ schlüpfen: Damit sich bloß kein Fussel oder Staubkorn ins Werk einschmuggelt, steht der gesamte Reinraum unter Überdruck – und pustet nach draußen. „Das pfeift manchmal.“

 

Hinweis: Zur „Langen Nacht der Industrie in Dresden“ am 2. Juli 2013 können angemeldete Besucher zwar nicht den Reinraum von Globalfoundries, aber dafür die Subfab mit der aufwändigen Infrastruktur für den Reinraum und das Materialanalys-Labor besichtigen. Anmeldungen sind unter dieser Adresse möglich.

Zum Weiterlesen:

Vom Stift zum Ingenieur: Eine Karriere im Chipwerk

Special „50 Jahre Mikroelektronik in Dresden“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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