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Aktive Erkunder kriegen mehr Hirn

Bei neugierigen Nagern wachsen mehr Hirnzellen. Foto: George Shuklin, Wikipedia, CC2-Lizenz

Bei neugierigen Nagern wachsen mehr Hirnzellen. Foto: George Shuklin, Wikipedia, CC1-Lizenz

Dresdner Klonmaus-Experiment: Erfahrungen lassen Gehirnzellen wachsen

Dresden/Berlin, 11. Mai 2013: Warum können sich eineiige Zwillinge zu ganz eigenen Individuen entwickeln, mit jeweils eigener Persönlichkeit? Der Antwort auf diese Frage ist ein deutsches Forscherteam nun näher gekommen: Sie konnten experimentell nachweisen, dass unterschiedliche Erfahrungen auch zu einem unterschiedlichen Hirnzellen-Wachstum führen. Ihre Studienergebnisse haben die Wissenschaftler aus Dresden, Berlin, Münster und Saarbrücken nun in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Erlebnispark für Gen-Mäuse

Prof. Gerd Kemperman. Foto: CRTD

Prof. Gerd Kemperman. Foto: CRTD

Für ihr Experiment implantierten die Forscher 40 Klon-Mäusen Ortungs-Funkchips und setzten sie zur Beobachtung in ein Gehege. In dem Areal offerierten sie den genetisch identischen Nagern ein breites Angebot unterschiedlicher Beschäftigungs- und Erkundungsmöglichkeiten.

„Die Tiere hatten nicht nur alle das gleiche Erbgut, sie waren auch alle den gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt“, beschreibt Studienleiter Gerd Kempermann, Professor für Genomik der Regeneration am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und Standortsprecher des „Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen“ (DZNE) in Dresden, den Versuchsaufbau. „Gleichzeitig war das Gehege so abwechslungsreich, dass jede Maus in dieser Umgebung ihre ganz individuellen Erfahrungen machte. Deswegen unterschieden sich die Tiere im Laufe der Zeit immer mehr in ihrer Erfahrungswelt und in ihrem Verhalten.“

Erkunder-Mäuse bilden mehr Hirnzellen als Passiv-Nager

In einer Umgebung mit vielen Reizen machen Mäuse unterschiedliche Erfahrungen. Bei der einen Maus (RECHTES Foto) führt diese zu vielen neuen Nervenzellen (schwarze Punkte), bei einer anderen Maus (linkes Foto) hingegen zu deutlich weniger neuen Nervenzellen. Foto: CRTD/DZNE/Freund

In einer Umgebung mit vielen Reizen machen Mäuse unterschiedliche Erfahrungen. Bei der einen Maus (r.) führt diese zu vielen neuen Nervenzellen (schwarze Punkte), bei einer anderen Maus (l.) hingegen zu deutlich weniger neuen Nervenzellen. Foto: CRTD/DZNE/Freund

Im Laufe des dreimonatigen Experimente zeigten die Nager immer unterschiedlichere Verhaltensmuster und bildeten in verschiedenem Maße Nervenzellen in der für Lernen und Gedächtnis zuständigen Hirnregion des Hippocampus.

„Tiere, die das Gehege besonders aktiv erkundeten, hatten auch mehr neue Nervenzellen als Tiere, die sich vergleichsweise passiv verhielten“, erklärte Kempermann.

Neurobiologische Basis für menschliche Individualität

Maus-Hippocalpus unterm Mikroskop. Foto: CRTD

Maus-Hippocalpus unterm Mikroskop. Foto: CRTD

Sein Team wertete die Befunde als Nachweis, dass persönliche Erfahrungen und daraus folgende Verhaltensweisen einen Beitrag zur „Individualisierung des Gehirns“ leisten. Diese Individualisierung lasse sich weder auf die Umwelt noch auf genetische Unterschiede zurückführen.

Da es ähnliche Prozesse auch beim Menschen gebe, „vermuten wir, dass wir einer neurobiologischen Grundlage von Individualität auf die Spur gekommen sind, die auch für den Menschen gültig ist“, betonte Kempermann.

Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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