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Graphen löst Herdentrieb der Atome aus

Dresdner lassen aus wirrem Kohlenstoff das Wundermaterial Graphen von selbst wachsen

Computersimulation: Aus dem wirren Kohlenstoff-Atomlager wächst Graphen. Abb.: TUD/Scientific Reports

Computersimulation: Aus dem wirren Kohlenstoff-Atomlager wächst Graphen. Abb.: TUD/Scientific Reports

Dresden, 24. März 2013: Die Kohlenstoffverbindung „Graphen“ gilt als eine Art neues Wundermaterial in der Forschergemeinschaft: Es leitet Strom exzellent, hat eine enorme Wärmeleitfähigkeit, kann zu sehr festen Nanoröhrchen zusammengerollt werden und zeigt Quanteneffekte, die es für eine ganz neue Art von Computern empfehlen könnten. Auch hocheffektive Energiewandler sollen damit möglich werden. Dresdner Forscher haben nun mit niederländischen Kollegen einen Weg gefunden, um solche zweidimensionalen Graphen-Waben aus amorphem (ungeordnetem) Kohlenstoff von selbst wachsen zu lassen. Das so selbst organisiert gewachsene Graphen „heilt“ Schadstellen sogar von selbst.

Atom-Waben heilen sich selbstständig

In den „Scientific Reports“ des „Nature“-Magazins hat ein Team aus Wissenschaftlern der TU Dresden, des Instituts für Festkörper und Werkstoffforschung Dresden (IFW) und der Universität Delft (Niederlande) nun über diese Entdeckung berichtet. In ihren Experimenten und Simulationen positionierten sie amorphen Kohlenstoff auf einen Graphenträger, erwärmten ihn – und die bis daher wirren Kohlenstoff-Atome ahmten wie von Geisterhand das Vorbild der hexagonalen Graphen-Waben nach, fügten sich zu Sechser-Waben zusammen. Defekte reparierten die Atomgruppen selbstständig, indem sie sich aus dem amorphen „Kohlenlager“ bedienten. Diese Methode könnte, so hoffen die Wissenschaftler, den Weg zu einer massenhaften Graphen-Produktion ebnen – bisher ein ernster Schwachpunkt des „Wundermaterials“.

Schritt zur Marktfähigkeit von Graphen

Gianaurelio Cuniberti. Abb.: TUD

Gianaurelio Cuniberti. Abb.: TUD

„Kaum jemand hat erwartet, dass Graphen in einer solch einfachen Art und Weise synthetisiert … werden kann“, erklärte Prof. Gianaurelio Cuniberti, Inhaber der Professur für Materialwissenschaften und Nanotechnik an der TU Dresden, in dessen Arbeitsgruppe wesentliche Teile der Experimente entstanden sind. Dies könne Graphen einen Schritt weiter in Richtung Anwendung und Marktfähigkeit bringen. Und: „Diese Arbeit wäre ohne die enge Zusammenarbeit von verschiedenen Institutionen hier in Dresden auf den Gebieten der Materialforschung, der Mikroskopie und der Modellierung nicht möglich gewesen“, lobte der gebürtige Italiener die interdisziplinäre Kooperation an der Elbe.

Erst kürzlich hatte die EU-Kommission die Graphen-Forschung zu einem von zwei Flaggschiff-Projekten Europas erklärt und die Arbeit daran milliardenschwer dotiert (Der Oiger berichtete). Das zweite EU-Flaggschoffprojekt ist die künstliche Simulation des menschlichen Gehirns – auch daran arbeitet die TU Dresden mit. Zudem hatten Dresdener Forscher erst kürzlich mit Wismut-Waben eine interessante Alternative zu Graphen entdeckt. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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