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Dresdner Bibliotheks-Chef: Verlage schneiden uns von eBuch-Nachschub ab

Lohnt sich vor allem für Vielleser: eBücher und eReader sind zunehmend gefragt. Abb.: Bitkom

eBücher liegen im Trend. Abb.: Bitkom

Dresden, 4. Januar 2012: Die deutschen Verlage koppeln die öffentlichen Bibliotheken zunehmend vom Digitalisierungszug ab. „Wir haben Riesenschwierigkeiten, noch an neue digitale Medien heranzukommen“, erklärte Arend Flemming, Direktor der Städtischen Bibliotheken Dresden, die als ein Vertreter der kommunalen Leihbüchereien in den Spitzenverhandlungen der kommunalen Leihbüchereien mit den Verlegern involviert sind. „Die Verlage wollen uns nichts mehr lizenzieren, weil sie ihre eBücher und anderen digitalen Medien lieber auf eigenen Plattformen verwerten wollen.“ Die Verhandlungen mit dem Börsenverein seien mittlerweile eingefroren. Ähnliche Kritik hatte erst kürzlich der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) geübt.

Verleger hoffen auf kommerziellen eMedien-Vertrieb

Den Boom von eBuch- und anderen elektronischen Medien-Verkäufen in den USA vor Augen (Der Oiger berichtete), setzen auch die deutsche Rechteinhaber nun zunehmend auf kommerzielle Plattformen, um an dieser neuen Verwertungsschiene zu profitieren. Im eBuch-Segment mischen vor allem Amazon (das US-Unternehmen betreibt sogar ein bibliotheksähnliches eBook-Angebot) und Apple mit, teils auch Google, Thalia und andere Anbieter. Auch Downloads von Hörbüchern, Musik und Videos (zum Beispiel Lovefilm-Online-Videothek) werden zunehmend in der Bundesrepublik kommerziell angeboten. Auch die Urheberrechts- und Piraterie-Debatte spielt in die Auseinandersetzung zwischen Verlagen und kommunalen Bibliotheken hinein: Viele Verleger fürchten, dass keiner mehr ihre eBücher kauft, wenn sie in den Bibliotheken gratis ausleihbar sind, zudem sorgen sie sich um mögliche Raubkopien.

Etwas anders sieht die Situation für wissenschaftliche Bibliotheken aus, von denen die Verlage mit spürbaren Einnahmen durch Massenlizenzen erwarten können. Auch haben einige Forschungsbibliotheken wie die SLUB in Dresden oder die Bayrische Landesbibliothek große eigene Digitalisierungszentren und damit ein Stück „Marktmacht“. Zudem erscheinen immer mehr wissenschaftliche Publikationen nur noch digital. Im Einzelverkauf sind dafür angesichts eines überschaubaren Käuferpotenzials pro Buch nur wenig Erlöse zu erhoffen, die Wissenschaftsbibliotheken hingegen sammeln solche Publikationen generell und sichern so den Verlegern Einnahmen.

Flemming: Verlage wollen uns zur Sozialausleihstation machen

Arend Flemming. Abb.: Lesestark!

Arend Flemming. Abb.: Lesestark!

Auch in den kommunalen Bibliotheken erfreuen sich digitale Medien steigender Beliebtheit – gerade die Internetfiliale „eBibo“ der Städtischen Bibliotheken Dresden meldet überproportional steigende Ausleihzahlen. Ob dieses starke Wachstum allerdings angesichts der Blockade der Verlage, die vor allem keine aktuellen Bestseller mehr als Leih-eBooks herausrücken wollen, zu halten sein wird, bezweifelt Flemming deutlich. Gehe es nach den Verlagen, so sein Eindruck, werden die öffentlichen Bibliotheken im jungen und dynamisch wachsenden Bildungsmarkt für digitale Medien zur reinen „Sozialausleihstation“ degradiert.

„Die letzten Angebote der Verlage gingen in die Richtung, uns Leih-eMedien nur noch zum doppelten bis dreifachen Ladenpreis zu geben oder uns lediglich ,Sozialexemplare’ zur Verfügung zu stellen“, berichtet der Direktor. „Wir müssten uns dann gewissermaßen von jedem, der bei uns ein eBook laden will, den Sozialhilfe-Ausweis zeigen lassen“. Die sei weder machbar noch akzeptabel. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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