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TU Dresden rüstet für 80 Millionen Euro ihre Computertechnologien auf

Einen ähnlichen Superrechner wie diesen im Forschungszentrum Jülich wird Bull an der TU Dresden installieren. Foto: Dieter Both, Bull

Einen ähnlichen Superrechner wie diesen im Forschungszentrum Jülich wird Bull an der TU Dresden installieren. Foto: Dieter Both, Bull

Neues Zentrum mit Petaflop-Superrechner erinnert an PC-Pionier Lehmann

Dresden, 13. Dezember 2012: Die kürzlich zur Elite-Uni geadelte „Technische Universität Dresden“ (TUD) investiert in den kommenden vier Jahren mindestens 80 Millionen Euro in die Aufrüstung ihrer Computertechnologie-Kompetenzen. So soll an der Nöthnitzer Straße in der Nähe der Informatik-Fakultät und der Physikinstitute der Max-Planck-Gesellschaft für „einen hohen zweistelligen Millionenbetrag“ ein „Lehmann-Zentrum“ für bis zu 500 Mitarbeiter entstehen, wie TUD-Rektor Hans Müller-Steinhagen heute mitteilte.

TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen. Abb.: TUD

TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen. Abb.: TUD

Weitere 15 Millionen Euro steckt die Uni in einen neuen Petaflop-Supercomputer namens „HRSK II“ (für Hochleistungsrechnen-Speicherkomplex), dessen Rechenraum gleichzeitig das erste Modul für das geplante Lehmann-Zentrum ist. Außerdem kündigte der Rektor an, das Datennetz auf dem Uni-Campus „in den nächsten drei, vier Jahren“ für 26 Millionen zu modernisieren, so dass jeder Arbeitsplatz zukünftig mit bis zu einem Gigabit pro Sekunde (Gbs) versorgt wird. Ab Juli 2013 soll zudem eine 100-Gigabit-Leitung als Teil des Deutschen Forschungsnetzes den Dresdner TU-Campus mit Chemnitz beziehungsweise Freiberg verbinden, damit die sächsischen Hightech- und Spitzenforschungsstandorte schneller Daten austauschen können.

Supercomputing gewinnt selbst für Geisteswissenschaften an Relevanz

„Spitzenforschung ist heute in vielen Disziplinen ohne moderne Informationstechnologie kaum noch denkbar“, erläuterte Rektor Müller-Steinhagen die Notwendigkeit dieser Investitionen. „Das betrifft vor allem die natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer, zunehmend aber auch die Medizin. Und dieser Trend wird auch für die Geisteswissenschaften immer bedeutsamer, wenn man zum Beispiel an die Modellierung von Agentensystemen denkt.“

Zudem hat das Land ehrgeizige Pläne, die bisherige Mikroelektronik-Kernkompetenz des Standorts Dresden künftig mit den Biowissenschaften und der Genetik zu verbinden. Jörg Geiger vom sächsischen Wissenschaftsministerium verwies auf die großen Datenmengen, die das neue Max-Planck-Zentrum für Systembiologie (Wir berichteten) in der Dresdner Johannstadt demnächst durch Massenmikroskopien generieren werde – und damit einen steigenden Bedarf an Supercomputer-Kapazitäten.

Simulation von Siliziumschmelzen für Chipwafer

Silizium-Kristallzucht bei Siltronic. Abb.: Siltronic

Silizium-Kristallzucht bei Siltronic. Abb.: Siltronic

Weil dieser Bedarf sowohl seitens des TU-Forscher wie auch durch auswärtige sächsische Wissenschaftseinrichtungen steigt, haben Müller-Steinhagen und „Bull“-Deutschland-Chef Gert-Lothar Leonhart heute im Rektorat einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Der sieht vor, dass die französische Computerfirma „Bull“ für 15 Millionen Euro in zwei Tranchen einen Superrechner auf dem Uni-Campus installiert. Der soll über eine Billiarde Fließkomma-Operationen pro Sekunde (Petaflops) schaffen und zum Beispiel Strömungsprozesse in Siliziumschmelzen der Chip-Wafer-Produzenten oder auch zelluläre Transportsysteme in Organismen simulieren. Der „HRSK II“ wird aber auch für die Werkstoffkunde, Physik, Informatik und viele andere Disziplinen benötigt. Bull erwägt nun, in naher Zukunft auch einen eigenen Firmenstandort in Dresden einzurichten.

Denn der Kooperationsvertrag sieht außerdem vor, dass TU und Bull gemeinsam Spezialprozessoren und Steuerprogramme entwickeln, die den Energieverbrauch in der gesamten Supercomputing-Gemeinde senken sollen – beziehungsweise die bisher megawattweise verpulverte Abwärme der schwitzenden Rechenknechte sinnvoller nutzen.

Über 20.000 Prozessorkerne mit Warmwasser-Kühlung

Dies hängt wiederum mit dem speziellen Konzept des Dresdner Petaflop-Rechners zusammen: Dieser arbeitet mit insgesamt über 20.000 Xeon-Prozessorkernen von Intel, 100 Terabyte Hauptspeicher und fünf Petabyte Festspeicher in Chip- und magnetischen Festplatten. Zum Vergleich: Das entspricht nominal etwa der Leistungskraft von über 10.000 Personalcomputern auf engstem Raum. Um die dabei entstehende Verlustwärme abzuführen, werden die Chips mit warmen Wasser direkt umspült („Direct Liquid Cooling“)– und das so entstehende Heizwasser soll genutzt werden, um das neue Lehmann-Zentrum und Teile der benachbarten Informatik-Fakultät wohlig warm zu halten.

Namensgeber Lehmann konstruierte 1. Transistor-Tischrechner „D4a“

Der ab 1959 von Prof. Lehmann in Dresden entwickelte Transistor-Tischrechner D4a gillt als Vorläufer der PCs. Abb.: hw

Der ab 1959 von Prof. Lehmann in Dresden entwickelte Transistor-Tischrechner D4a gillt als Vorläufer der PCs. Abb.: hw

Das Lehmann-Zentrum selbst, in dem der Petaflop-Rechner Ende 2014 ein eigenes Hightech-Domizil erhält, wird nach dem Dresdner Computer-Pionier Prof. Nikolaus Joachim Lehmann (1921-1998) benannt, der unter anderem mit dem „D4a“ den ersten Transistor-Tischrechner der DDR konstruierte – und einen der ersten Personalcomputer, wenn man so will.

In dem Zentrum werden nach der Komplettierung fünf Computertechnologie-Einrichtungen der TU zusammengezogen, die sich teils noch im Aufbau befinden, teils über das Stadtgebiet verstreut sind. Dazu gehören beispielsweise ein neues Zentrum für fortgeschrittene Modellierungstechniken in der Werkstoff- und Nanotechforschung, das Holodeck „CAVE“, das Zentrum für Hochleistungsrechnen, das eLern-Zentrum und eine Einrichtung für cyberphysikalische Systeme. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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