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DVD „Der Turm“: Sezierschnitt durch die DDR-Intelligenzia

Recht selbstverliebt: Chirurg Richard Hoffmann (Jan Josef Liefers, r.) in "Der Turm". Abb.: Universum

Recht selbstverliebt: Chirurg Richard Hoffmann (Jan Josef Liefers, r.) in „Der Turm“. Abb.: Universum

Fast 1000 Seiten literarisch verarbeiteter DDR-Geschichte zu verfilmen, ist kein leichtes Brot. Regisseur Christian Schwochow hat sich daran gewagt und in dem Fernseh-Zweiteiler „Der Turm“ den gleichnamigen Uwe-Tellkamp-Roman ein berührendes Stück Zeitgeschichte im Spiegel der Dresdner Arzt-Familie Hoffmann gezeichnet. Sicher ist zu betonen, dass das Leben eines im Nobel-Viertel „Weißer Hirsch“ lebenden Chirurgen damals ein privilegiertes war, das sich stark vom Alltag der meisten DDR-Bürger unterschied. Aber diese Facette überzeugend zu inszenieren und dafür ein fähiges Schauspieler-Ensemble zusammen zu trommeln, spricht doch für sich.

Gerät in die Mühlen des Systems: Christian. Abb.: Universum

Gerät in die Mühlen des Systems: Christian. Abb.: Universum

Im Mittelpunkt des Zweiteilers stehen vor allem der egozentrisch-selbstverliebte Chirurg Richard Hoffmann (Jan Josef Liefers) und dessen Sohn Christian (Sebastian Urzendowsky), die sich zusehends entfremden: Hier ist der Vater, der mit seinen Seitensprüngen die Familie zerstört, seiner Karriere nahezu alles unterordnet, da der Sohn, der unter dem Leistungsdruck durch den Vater leidet und spätestens durch den Wehrdienst in der NVA die Niederungen des nicht-priviligierten Volkes kennenlernt und die hässliche, autoritäre, oft auch menschenverachtende Seite des Systems.

Bis in die Nebenstränge überzeugend besetzt

Was den Film aber wirklich so dicht wirken lässt, sind auch die vielschichtig verwobenen Nebenstränge, etwa der um die kritische Schriftstellerin und ihren Zensor, die eben nicht nur als schablonenhafte Randfiguren abgehandelt werden, sonder überzeugend besetzt wurden.

Erschienen ist der TV-Film nun auf DVD – die leider keine Extras enthält, obwohl sicher interessant gewesen wäre zu erfahren, wie sich zum Beispiel die nach der Wende geborenen Jungmimen mit dem Filmstoff auseinandergesetzt haben.

Fazit:

Abb.: Universum

Abb.: Universum

„Der Turm“ gehört – trotz oder vielleicht gerade wegen seiner thematischen Verengung auf eine kleine privilegierte Schicht der ostdeutschen Gesellschaft – zu den intensiveren und wichtigeren Filmen, die sich mit der untergegangenen DDR auseinander setzen. Wohltuend hebt sich der Zweiteiler von manch klamauknahem Ostalgie-Streifen der jüngeren Vergangenheit ab – er mag vielleicht nicht ganz das Niveau von „Das Leben der Anderen“ erreichen, bewegt sich aber in der selben Liga. Ein Verdienst sicher der literarischen Vorlage, aber auch eine sinnvollen dramaturgischen und visuellen Umsetzung auf den Bildschirm – und vor allem schauspielerischem Anspruch. Auf jeden Fall nicht nur für Zonis sehenswert.

Heiko Weckbrodt

„Der Turm“ (Universum), Drama, Deutschland 2012, 180 Minuten in zwei Teilen, Regie: Christian Schwochow, mit Jan Josef Liefers u.a., FSK 12, DVD 15 Euro
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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