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DTV-Manager: Ein reiner eBuch-Markt wäre von Oligopolen beherrscht

dtv-Verkaufsleiter Rudolf Frankl. Abb.: dtv

dtv-Verkaufsleiter Rudolf Frankl. Abb.: dtv

München/Dresden, 1. Oktober 2012: Vor einer Marktkonzentration auf wenige große Buchkonzerne im eBuch-Segment hat der Verkaufsleiter des „Deutschen Taschenbuch Verlages“ (dtv München), Rudolf Frankl, im Oiger-Gespräch gewarnt. Während die deutsche Buchpreisbindung im klassischen Buchmarkt eine breite Anbieterlandschaft aus Tausenden Buchhändlern und Verlagen sichere, werde der eBook-Markt von wenigen Großen wie Amazon, Google und Apple dominiert. „Dort droht zwar kein Monopol, aber doch ein Oligopol“, kritisierte Frankl. Zugleich betonte er die Chancen des Digitaltrends für Leser und Verlage: „Vergriffene Bücher wird es dadurch vielleicht irgendwann nicht mehr geben.“

Der Oiger: Das elektronische Buch, das eBook, ist in Deutschland immer noch ein Nischenprodukt mit nur zwei Prozent Marktanteil. Andererseits sind laut einer Bitkom-Umfrage viele Deutsche überzeugt, dass es in 20 Jahren nur noch eBücher zu kaufen geben wird…

Rudolf Frankl: In Deutschland ist der eBook-Markt immer noch sehr klein. Ich persönlich halte eBook-Marktanteile von 50, 60 Prozent in überschaubarer Zukunft für ausgeschlossen. Wir beim dtv glauben fest an die Zukunft des gedruckten Buches. Aber wir sind natürlich bereit für das, was der Markt will.

In den USA, wo eBooks bereits eine größere Rolle spielen, hat das „Pew Research Center“ ermittelt, dass eBook-Leser mehr lesen.

Rudolf Frankl: Ich kann aus meiner Erfahrung nicht erkennen, dass das eBook zu einer Markterweiterung führt. Schauen sie sich doch an, wer eBücher vor allem kauft: Die technisch besonders Interessierten und die Vielleser – denn für die rechnet sich der Kauf eines Lesegerätes recht schnell. Dass wegen der eBooks nun mehr Leute zum Buch greifen, sehe ich nicht.

Liegt nicht der Gedanke nahe, dass im Vergleich zu Papierbüchern günstigere Preise von eBooks die Hemmschwelle zum Kauf eines Buches senken könnten? Ich frage mich manchmal, ob die im Vergleich zu den USA recht hohen deutschen eBuch-Preise und die Buchpreisbindung hierzulande eine natürliche Marktentwicklung künstlich ausbremsen.

Rudolf Frankl: In Deutschland hat der Leser beim eBook-Kauf im Schnitt eine Preisersparnis von etwa 20 Prozent und den Vorteil der sofortigen Verfügbarkeit. Auf der Kostenseite muss man den Mengenhebel beachten: Bei einer noch recht geringen Nachfrage pro Titel ist der Aufwand für Verlag und Handel für das elektronische Produkt recht hoch.

Gerade die Einführungskosten sind nicht unerheblich, denn man muss das Rechnungswesen umstellen, langfristige Kundendatenbanken aufbauen, damit eBook-Käufer ihr Buch auch später noch mal runterladen können, wenn zum Beispiel ihre Festplatte kaputt gegangen ist, auch wird auf eBooks der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben. Ich kenne derzeit keinen, der derzeit in Deutschland mit eBooks richtig Geld verdient.

Buchpreisbindung sichert Vielfalt

eBuch-Lesen findet jetzt auch in Deutschland mehr Resonanz. Abb.: Amazon

eBuch-Lesen findet jetzt auch in Deutschland mehr Resonanz. Abb.: Amazon

Und die Buchpreisbindung ist meines Erachtens ein Wert für sich: Sie sorgt dafür, dass der Leser in der Provinz genauso wie der in der Großstadt in seiner Nähe einen Buchladen findet.* Die Frage ist nur: Wird es dauerhaft möglich sein, die Buchpreisbindung für eBooks aufrecht zu erhalten?

Wo sehen Sie da das Problem?

Rudolf Frankl: In Deutschland gibt es Tausende Buchhandlungen und Verlage mit ganz unterschiedlichen Geschmäckern – von dieser Vielfalt profitieren Autoren wie Leser. Das eBook-Geschäft dagegen findet im Internet statt und dort gibt es einige wenige dominierende Marktanbieter wie Amazon. Dort droht zwar kein Monopol, aber doch ein Oligopol.

Thema „vergriffene Bücher“ erledigt sich durch Digitalisierung

Doch verstehen Sie mich nicht falsch: Wir stehen der eBuch-Entwicklung dennoch offen gegenüber und sehen auch große Chancen durch die Digitalisierung. Vergriffene Bücher wird es dadurch vielleicht irgendwann nicht mehr geben. Denn einmal digitalisierte Bücher können relativ kostengünstig dauerhaft verfügbar gehalten werden.

Jussi Adler-Olsen. Abb.: P. Jorgensen, dtv

Wollte eBuch verzögern: Jussi Adler-Olsen. Abb.: P. Jorgensen, dtv

Für einiges Aufsehen hatte kürzlich die – inzwischen revidierte – Entscheidung ihres Autors Jussi Adler-Olsen gesorgt, die eBook-Version seines neuen Krimis „Verachtung“ erst mit halbjähriger Karenzzeit freizugeben, um Raubkopierern das Wasser abzugraben. Wer entscheidet, welches Buch wann auch digital erscheint?

Rudolf Frankl: Die Hoheit über die Vertriebswege haben die Autoren, wobei so etwas meist im Team beraten wird. In der Regel veröffentlichen wir aber eBook-Ausgaben gleichzeitig mit der Print-Ausgabe.

Buch-Piraten werden krimineller und kommerzieller

Haben Sie hohe Verluste durch eBook-Piraten?

Rudolf Frankl: Seit es das Internet gibt, haben wir Probleme mit Raubkopierern. Schon bevor eBooks aufkamen, haben diese Leute Bücher eingescannt und ins Netz gestellt. Inzwischen hat sich das insofern verschärft, da es mehr und bessere eBook-Lesegeräte gibt – denken Sie nur an die iPads – und damit ein breiteres Publikum für solche Raubkopien. Und während sich die Raubkopierer früher nur auf wenige Top-Titel konzentriert haben, ist diese Szene heute kommerzieller und krimineller geworden.

Was mich daran richtig stört, dass diese Piraten geistiges Eigentum völlig in Frage stellen. Da fehlt bei vielen jedes Unrechtsbewusstsein.

Gespräch: Heiko Weckbrodt

* Die Buchpreisbindung soll u. a. einen ruinösen Preiskampf zu Lasten der kleinen Buchläden verhindern (Anmerkung der Redaktion)

Zum Weiterlesen:

Enno Coners verlegt Bücher für die „Generation Heimcomputer“

Verleger Saur über eBooks

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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