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Hoffnung für Krebspatienten: Dresdner Forscher arbeiten an Metastasen-Killersuchsystemen

Silke Fähnemann (vorn) und Manja Kubeil vom Institut für Radiopharmazie experimentieren an der internen Strahlentherapie gegen Krebs. Abb.: Frank Bierstedt, HZDR

Silke Fähnemann (vorn) und Manja Kubeil vom Institut für Radiopharmazie experimentieren an der internen Strahlentherapie gegen Krebs. Abb.: Frank Bierstedt, HZDR

Dresden, 31. August 2012: Für viele Patienten kommt die Diagnose „Metastasen“ einem Todesurteil nahe: Hat der Tumor trotz OP und Chemotherapie seine Zellen einmal im Körper verstreut, schrumpfen die Optionen für die Ärzte rapide. Doch Nuklearmediziner in Dresden arbeiten derzeit an einer vielversprechenden Krebstherapie, die die Heilungschancen von Patienten drastisch erhöhen könnte – selbst wenn der Tumor bereits Metastasen im Körper gestreut hat. Dabei setzen sie spezielle, molekular programmierte Botensysteme ein, die sich gezielt Tumore und Metastasen annähern und diese innerlich zerstrahlen.

„Vielversprechende Ergebnisse“ in Tierversuchen

„In Kombination mit externer Bestrahlung haben wir mit dieser Methode bei Versuchen mit Mäusen bereits sehr vielversprechende Ergebnisse erzielt“, berichtet Sprecherin Christine Bohnet vom „Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf“ (HZDR), das die neue Therapie gemeinsam mit der TU und dem Uniklinikum Dresden entwickelt. Zwar sei noch ein weiter Weg bis zum Einsatz am Menschen zu gehen, aber: „Das könnte in Zukunft neben Chirurgie, äußerer Bestrahlung und Chemotherapie die vierte große Säule der Krebsbehandlung werden“, glaubt sie.

Wucherzellen sind schwer zu orten

Die klassische Strahlentherapie hat nämlich ein grundsätzliches Problem: Die zerstörerischen Strahlen streuen stark und zerstören daher nicht nur Tumore, sondern auch gesundes Gewebe. Diese Problem versuchen die Rossendorfer zwar nun mit zielsichereren Protonenstrahlen in den Griff zu bekommen, die von kompakten Superlasern beschleunigt werden. Aber auch der Einsatz dieser Atomkernteilchen ist darauf angewiesen, dass die Ärzte das richtige Ziel finden. Und das funktioniert zwar meist bei Tumoren (zusammenhängendem Krebsgewebe). Entartete Streuzellen (Metastasen) zu finden, ist hingegen selbst für modernste Bildsuchverfahren wie MRT- und PET-Kombigeräte kaum möglich.

Vorbild war Radiojod-Therapie für Schilddrüse

Um dieses Dilemma zu lösen, haben die Rossendorfer Forscher tief in die Trickkiste gegriffen und verschiedene Methoden kombiniert. Ein Vorbild war zum Beispiel die vor etwa 70 Jahren entwickelte Radiojod-Therapie, die den Umstand ausnutzt, dass nur die Schilddrüse im Körper Jod speichert. Jubelt man dem Organ radioaktives Jod unter, kann dies Tumore an dieser Stelle zerstrahlen – aber eben nur dort. Vor allem aber nutzt das Team die jahrzehntelangen Erfahrungen in Rossendorf mit Radiopharmaka sowie die neueren Fortschritte des künstlichen DNA-Designs.

Energiehunger jubelt Krebszellen Trojanische Pferde unter

Dabei injizieren die Forscher maßgeschneiderte Suchmoleküle in den Körper, zum Beispiel langsame (weil große) Antikörper und schnellere Proteine. Dabei machen sie sich den übergroßen Energiehunger von Krebszellen zunutze, die solche Moleküle wie magisch anziehen. Diese Sendboten haben allerdings eine Art „Trojanisches Pferd“ an Bord: Maßgeschneiderte halbe Erbgut-Stränge.

Für die Krebsforschung stehen im Rossendorfer Forschungszentrum hochmoderne bildgebende Verfahren zur Verfügung. Abb.: HZDR

Für die Krebsforschung stehen im Rossendorfer Forschungszentrum hochmoderne bildgebende Verfahren zur Verfügung. Abb.: HZDR

Beta-Strahler heften sich nach Reißverschluss-Prinzip an

Haben sich nun genug derart getarnt markierte Suchzellen an die Metastasen und Tumorzellen angedockt, schicken die Wissenschaftler eine Welle von Beta-Strahlern wie Yttrium-90, Lutetium-166 oder Rhenium-188 hinterher, die die andere Hälfte des DNA-Strangs besitzen. An den Krebszellen angelangt, „ erkennt der Schlüssel das passende Schloss, also den Antikörper, und bindet ausschließlich an diesen“, erläutert Hans-Jürgen Pietzsch, Leiter der HZDR-Abteilung für Radiotherapeutika. Wie bei einem Reißverschluss verbinden sich zuvor angelagerte Antikörper und die eintreffenden Betastrahler. Letztere senden dann Elektronen mit kurzer Reichweite aus, die höchstens rund 100 Zellen weit kommen – und damit das gesunde Gewebe um den Krebs weitgehend unangetastet lassen.

„Metastasen vollständig zerstören“

„Wir wollen mit unseren neuen radioaktiven Substanzen den Primärtumor maximal schädigen und die Metastasen im Körper vollständig zerstören“, kündigte Pietzsch an. „Dabei soll die interne Strahlentherapie in der Regel zusammen mit der externen Bestrahlung in Form einer Kombinationstherapie angewendet werden. Hier erhoffen sich die Mediziner, dass die externe Strahlendosis so gesenkt werden kann, dass gesundes Gewebe maximal geschont wird. Und das bei deutlich besseren Behandlungserfolgen!“ Heiko Weckbrodt

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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