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Polymere Faltkunst: Dresdner Chemiker arbeitet an Wirkstoff-Lieferdienst für den Körper

Die Mikro-Origami aus Polymerfilmen kapseln Zellen ein oder entfalten sich wieder je nach Temperatur. Abb.: IPF

Die Mikro-Origami aus Polymerfilmen kapseln Zellen ein oder entfalten sich wieder je nach Temperatur. Abb.: IPF

Dresden, 27. August 2012: Der aus Russland stammende Forscher Dr. Leonid Ionov entwickelt derzeit im „Leibniz-Institut für Polymerforschung“ (IPF) in Dresden eine Art Paketpostdienst für die Zustellung von Stammzellen und Medikamenten im menschlichen Körper: Aus Polymeren – also Kettenmolekülen aus Kohlenstoff-Wasserstoffverbindungen – konstruiert er winzig kleine „Mikro-Origami“, die sich ähnlich wie die namensgebende japanische Papierkunst selbstständig zusammenrollen und wieder auseinanderfalten – und am Zielort im Körper die Wirkzellen, die sie in ihrem Innern transportiert haben, freisetzen. Ein ähnliche Prinzip hatte er bereits bei der Konstruktion mikroskopisch kleiner Polymer-Bürsten eingesetzt, für die er am 17. September 2012 den diesjährigen „Georg-Manecke-Preis“ der „Gesellschaft Deutscher Chemiker“ erhält.

Mikro-Origami: Venusfliegenfalle stand Pate

Für seine Mikro- und Nano-Konstruktionen orientierten sich Ionov und sein Team am Vorbild Natur, zum Beispiel an der Venusfliegenfalle, die sich blitzschnell zuklappt, wenn ein unvorsichtiges Insekt zu nahe an ihren „Schaufeln“ geraten ist. Ähnlich reagieren auch seine „Mirko-Origami“ auf gewisse „Trigger“, also Auslöser. Bei niedriger Temperatur falten sich seine Polymerfilme zusammen und kapseln so zum Beispiel eine Zelle ein. Steigt die Temperatur, entrollen sich die organischen Origami und lassen die Zelle wieder frei.

Paketdienst für Stammzellen

Dr. Leonid Ionov. Abb.: IPF

Dr. Leonid Ionov. Abb.: IPF

„Diese Technik könnte man beispielsweise als Liefersystem einsetzen, um Stammzellen zu transportieren“, sagte Ionov. Denn oft genug stehen Genetiker und Mediziner vor dem Problem, bestimmte Wirkstoffe oder eben Stammzellen durch die Abwehrmechanismen des Körpers zum Beispiel genau zu einem Tumor zu schleusen, damit sie erst dort ans Werk gehen. Auch der Einsatz als „Scaffold“, also als Gerüst für gezielte Wachstumsbeeinflussung von Zellstrukturen, sei damit denkbar, betonte Ionov.

Polymerbürsten steuern Mikrokanäle

Die zuvor von Ionov entwickelten schaltbaren Polymerbürsten wiederum können zum Beispiel winzige Flüssigkeitskanäle öffne oder schließen und so etwa das Wachstum bestimmter Zellen beeinflussen oder als biologische Sensoren dienen. Für dieses Projekt erhält er demnächst in Göttingen auch den Manecke-Preis.

Dr. Ionov hatte 1994-1999 an der Moskauer Lomonossow-Universität Chemie studiert, bevor er 2002 nach Dresden kam. Seit 2009 ist er Gruppenleiter am Institut für Physikalische Chemie und Physik der Polymere des IPF.

Der Georg-Manecke-Preis erinnert an einen Wegbereiter der Polymerforschung, den Berliner Chemieprofessor Georg Manecke (1916-1990). Er wurde bisher erst drei Mal verliehen. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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