Internet & IoT, Kommentar & Glosse
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Speisen digital: Erst posten – dann essen

Einfach losfressen? Nix da: Erst wird gepostet. Abb.: hw

Einfach losfressen? Nix da: Erst wird gepostet. Abb.: hw

Die Alltagsabläufe in unserem Leben ändern sich selten schlagartig, meist schleichend – und so ist es auch mit dem Informations-Zeitalter, mit den lieben Smartphones, mit den „sozialen“ Netzwerken. Als ich letztens zum Beispiel eine Bekannte fragte, ob sie sich einer Baderunde an einem See – dort ist leichte Bekleidung üblich – anschließen wolle, antwortete die Grazie: „Nönö, dann steht mein Bild eine Stunde später auf Facebook“ – Kontaktnetzwerke und omnipräsente Handy-Kameras schüren eben ganz neue Bedenken und beeinflussen unsere Entscheidungen im Detail schon längst mit.

Bei einer anderen Gelegenheit köchelte ich mit Freunden daheim: Einer rührte am Herd stoisch in einem Krauttopf, zwei standen daneben mit gezückten Handykameras, um das Großereignis sofort bildlich ins Internet zu stellen. Ähnlich dann, als alles aufgetischt war: Statt zu den Gabeln griffen alle erst mal zum Smartphone, um auch die delikat gefüllten Teller für die digitale Nachwelt zu posten.

Sollte mich nicht wundern, wenn dies in voll digitalisierten Familien irgendwann mal zum festen Tisch-Ritual wird: Statt „Guten Appetit“ oder des viel zu analogen Tischgebets wird Mamas Kabeljau erst mal gepostet – Teller vorher, Teller nachher, Klein-Paul beim Schnabulieren…

Und, ach ja, hatte ich schon erwähnt, dass wir uns zur gemeinsamen Köchelei über Facebook verabredet hatten? Natürlich im Privatmodus, damit daraus nicht einer dieser legendären Facebook-Party-Exzesse wird, bei denen Tausend Hungrige an meine Wohnungstür trommeln. Denn telefonische Verabredungen sind ja sowas von analog – geht gar nicht. Schöne neue Facebook-Welt… Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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