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Turboinjektion für Hightech-Industrie: Dresden größter Fraunhofer-Standort in Deutschland

Jüngestes Mitglied der Dresdner Fraunhofer-"Familie" ist das ASSID, in dem Backend-Spezialisten neue Techniken für die 3D-Chipintegration entwickeln. Abb.: FHG

Jüngestes Mitglied der Dresdner Fraunhofer-"Familie" ist das ASSID, in dem Backend-Spezialisten neue Techniken für die 3D-Chipintegration entwickeln. Abb.: FHG

Dresden, 29.2.2012: Kaum irgendwo anders in Deutschland ist die Forschungs- und Akademikerdichte so hoch wie in Dresden und wesentlichen Anteil daran hat die Fraunhofer-Gesellschaft (FHG). Seit den ersten Institutsgründungen Anfang 1992 sind hier zwölf FHG-Einrichtungen entstanden, die insgesamt über 1300 Forscher, Ingenieure und andere Mitarbeiter beschäftigen und durch ihre enge Verzahnung mit der Industrie Jahresumsätze von mehr als 130 Millionen Euro generieren. Mit einem Festakt im Flughafen feiert diese Wissenschaftsgemeinde am Freitag unter dem Motto „Forschung für die Praxis“ das 20. Fraunhofer-Jubiläum in Dresden.

„Keimzelle des wirtschaftlichen Aufbruchs“

FHG-Präsident Hans-Jörg Bullinger. Abb.: Heyde, FHG

FHG-Präsident Hans-Jörg Bullinger. Abb.: Heyde, FHG

„Mit zwölf Fraunhofer-Einrichtungen hat sich Dresden zum größten Standort der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt“, betonte FHG-Präsident Prof. Hans-Jörg Bullinger. „Die Einrichtungen in Dresden haben sich nicht nur zu regionalen Keimzellen des wirtschaftlichen Aufbruchs entwickelt, sondern auch national und international hohe Anerkennung – und vor allem Auftraggeber – gefunden“.

Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) sprach von einer „ganz elementaren Bedeutung“ dieser Institute für den Hightech-Standort Dresden. „Durch ihr Finanzierungsmodell, das in der Regel zwei Drittel der Institutserlöse durch externe Auftraggeber vorsieht, ist die Verzahnung der Fraunhofer-Institute mit der Dresdner Wirtschaft sehr eng.“

Fraunhofer übernahm Forschergruppen der DDR-Akadamie der Wissenschaften und des Ardenne-Instituts

Als die FHG am 1. Januar 1992 ihre ersten Institute in Dresden gründete, geschah dies freilich nicht aus dem Nichts: Die – im Vergleich zu anderen deutschen Wissenschaftsgemeinschaft – eher praxis- und anwendungsorientierte Gesellschaft übernahm damals zum Beispiel Forschergruppen der früheren DDR-Akademie der Wissenschaften und des Privatinstituts des Barons Manfred von Ardenne. „Aus den ,Bruchstücken’ einer sich auflösenden Forschungslandschaft wurden rasch hochmoderne, vitale Kompetenzzentren mit leistungsfähiger Infrastruktur“, schätzt Bullinger im Rückblick ein.

Gerade in der Startphase mussten die neuen Institute ihren Platz in der nationalen und internationalen Forschungslandschaft erst finden. Viele hatten anfangs Schwierigkeiten, die geforderte Drittmittelquote (nur 30 Prozent kommen aus einer Basisfinanzierung, mindestens 40 bis 50 Prozent sollen Mittel von Industriepartnern sein, der Rest andere Geldquellen) zu erfüllen. Dominierten anfangs eher kleine Spezialprojekte, hat sich dieses Bild bis heute stark gewandelt.

Prof. Eckhard Beyer. Abb.: IWS

Prof. Eckhard Beyer. Abb.: IWS

„Inzwischen können wir uns vor Aufträgen kaum noch retten und platzen aus allen Nähten“, schätzt Prof. Eckhard Beyer ein, in Personalunion Direktor des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) und Leiter des Lehrstuhls für Laser- und Oberflächentechnik an der TU Dresden. „Über viele Projekte dürfen wir der Öffentlichkeit aus Konkurrenzschutzgründen leider gar nichts sagen.“

Enge Verzahnung von Uni, außeruniversitäten Instituten und Industrie

Die Beyersche Personalunion steht dabei beispielhaft für einen Teil des Dresdner Erfolgsrezepts: „Ich wüsste kaum einen anderen Standort in Deutschland, an dem Fraunhofer-, Planck-, Leibniz- und Helmholtz-Institute sowie die Hochschulen so eng zusammen arbeiten wie hier“, meint Beyer. „Zum Beispiel hat so ziemlich jeder Fraunhofer-Institutsdirektor in Dresden auch einen Lehrstuhl an der TU.“ Auch das Land habe sehr geholfen, indem es zum Beispiel während der Weltwirtschaftskrise auch öffentlich finanzierte Entwicklungsprojekte auflegte.

Erfolgsprojekte wie Autotram, OLEDs und diamantharte Motor-Beschichtungen

Inzwischen ist die Erfolgsgeschichte zwischen Fraunhofer und Industrie ein Selbstläufer geworden. Manche Entwicklungslinie, die anfangs noch skeptisch beäugt wurde, hat sich als Zukunftstechnologie mit Massenmarktpotenzial erwiesen – man denke nur an die Organischen Leuchtdioden (OLEDs) des IPMS in Klotzsche, die jüngst erst den Zukunftspreis des Bundespräsidenten erhielten. Das Verkehrsinstitut IVI wiederum macht branchenweit mit der Autotram von sich reden, die energieeffiziente Antriebssysteme für den Verkehr der Zukunft erprobt. Auch die Lasertechnologien, transparenten Keramiken, modernen Brennstoffzellen und superharten Motorbeschichtungen, die am zentralen Institutscampus an der Winterbergstraße entwickelt wurden und werden, finden in der Industrie viel Anklang.

Wegen der hohen Nachfrage baut die FHG ihre Kapazitäten am Standort stetig aus. So entstand als jüngste Einrichtung das „ASSID“ nahe an den Globalfoundries-Halbleiterwerken im Dresdner Norden, das neuartige Chipmontagetechnologien erprobt. Das IVI wiederum baut derzeit ein neues Testoval für seine Autotram im Dresdner Süden. Die Klotzscher Photoniker errichten derweil neue Pilotlinien für OLEDs und organische Solarzellen.

Neue Lithium-Schwefel-Akkus sollen Reichweite von E-Autos deutlich vergrößern

Und den Hauptcampus in Gruna erweitern die Wissenschaftler momentan mit einer zweistelligen Millioneninvestition um ein Energietechnologiezentrum zur Bodenbacher Straße hin und um ein neues Technikum gleich in der Nähe, das Mitte des Jahres fertig sein soll. Dort wollen die Institute IWS, IKTS und FEP unter anderem neue Photovoltaik- und Brennstoffzellentechnologien serienreif machen. Als jüngstes und aufwendigstes Projekt entsteht dort eine Pilotlinie für Lithium-Schwefel-Batterien. Diese Akkus sollen die Reichweite von Elektroautos drastisch vergrößern. „Bis zur Serienreife ist es zwar noch ein paar Jahre hin“, schätzt Beyer ein. „Aber im Labor erreichen wir damit schon eine zwei- bis drei mal so große Energiedichte wie mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien“. Heiko Weckbrodt

Fraunhofer-Einrichtungen in Dresden:

All Silicon System Integration Dresden ASSID

Institutszentrum Dresden

Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP Dresden Standortkarte
Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung – Institutsteil für Pulvermetallurgie und Verbundwerkstoffe IFAM Dresden Standortkarte
Integrierte Schaltungen Entwurfsautomatisierung Dresden IIS Dresden Standortkarte
Keramische Technologien und Systeme IKTS Dresden Standortkarte
Nanoelektronische Technologien CNT Dresden Standortkarte
Photonische Mikrosysteme IPMS Dresden Standortkarte
Verkehrs- und Infrastruktursysteme, Teilinstitut des Fraunhofer IOSB IVI Dresden Standortkarte
Werkstoff- und Strahltechnik IWS Dresden Standortkarte
Werkzeugmaschinen und Umformtechnik – Institutsteil Dresden IWU Dresden Standortkarte
Zerstörungsfreie Prüfverfahren – Institutsteil Dresden IZFP-D Dresden Standortkarte
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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