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Technikmuseum eröffnet Sonderschau „50 Jahre Mikroelektronik in Dresden“

In der neuen Mikroelektronik-Ausstellung: Dresdner Layout-Masken aus den 1970er Jahren, aus denen noch manuell mit Pinzetten die Stellen herauszwickten, an denen - vielfach verkleinert - später die Chipstrukturen belichtet wurden. Abb. (alle): hw

In der Mikroelektronik-Ausstellung: Dresdner Layout-Masken aus den 1970er Jahren, aus denen noch manuell mit Pinzetten die Stellen herausgezwickt wurden, an denen - vielfach verkleinert - später die Chipstrukturen belichtet wurden. Abb. (alle): hw

Von Megabit-Fröschen und Mondlandschaften

Dresden, 31.1.2012: Was haben ein Frosch, ein Herzschrittmacher und ein Drittel der weltweiten Autoflotte gemeinsam? Sie haben auf die eine oder andere Weise mit der 50-jährigen Geschichte des Mikroelektronikstandortes Dresden zu tun, die sich jetzt in einer Sonderausstellung der „Technischen Sammlungen Dresden“ (TSD an der Junghansstraße spiegelt: Der Frosch war das zwischen den Leiterbahnen des DDR-Megabit-Schaltkreises versteckte Maskottchen von Chefkonstrukteur Jens Knobloch. Der Herzschrittmacher-Schaltkreis aus dem Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) ersparte vielen Patienten OPs im Zwei-Jahres-Takt. Und wenn man auf einen Schlag die Chips von Infineon Dresden aus allen Fahrzeugen entfernen würde, dann stände ein Drittel aller Automobile weltweit still, sagt Ausstellungs-Kurator Dr. Ralf Pulla.

Zu sehen sind in der Studioschau zahlreiche Hightech-Geräte, Filme, Fotos, aber auch Dokumente, wobei das Kürzel AMD den Kreis schließt: Vom ersten DDR-weit erfolgreichen Logikschaltkreis der „Arbeitsstelle für Molekularelektronik Dresden“ (AMD, später: ZFTM beziehungsweise ZMD) bis hin zum Athlon-Prozessor aus dem Wilschdorfer Werk des anderen AMD – des US-Chipkonzerns.

"Hartmann stürmt voran" - der Mikroelektronikpionier im weißen Kittel auf der AMD-Baustelle Anfang der 1960er Jahre. Abb.: TSD

"Hartmann stürmt voran" - der Mikroelektronikpionier im weißen Kittel auf der AMD-Baustelle Anfang der 1960er Jahre. Abb.: TSD

Auch Dauerausstellung über Dresdner Mikroelektronik geplant

Der erste produzierte Logik-Chip aus Dresden leicht vergrößert...

Der erste produzierte Logik-Chip aus Dresden leicht vergrößert...

Der Rundgang repräsentiert ein halbes Jahrhundert Geschichte einer Hochtechnologie, die untrennbar mit Dresden verbunden, der größte private Arbeitgeber in der Region ist und die „leider in unserem Museum bisher viel zu kurz weggekommen ist“, wie TSD-Direktor Roland Schwarz einräumt. „Für uns ist diese Sonderausstellung nur der erste Schritt, um die große Bedeutung der Dresdner Mikroelektronik künftig auch in unseren Dauerausstellungen zu zeigen.“

Anlass der Sonderschau ist der 100. Geburtstag des visionären Mikroelektronik-Pioniers Werner Hartmann (30. Januar 1912 bis 8. März 1988). In diesem Zuge hat das Technikmuseum viele Kontakte zur alten „Chip-Garde“ in der Stadt geknüpft. Sie steuerten viele Exponate bei, die wohl teilweise auch in die künftige Mikroelektronik-Dauerausstellung einfließen werden. „Wir haben uns darum bemüht, diese Hochtechnologie auch sinnlich erfahrbar zu machen, die Wirtschaftshistorie dahinter zu beleuchten und ästhetische Interpretationen der Mikrofotografie einzubauen“, betonte Kurator Pulla.

...und im XXL-Format als Entwurf und unterm Mikroskop.

...und im XXL-Format als Entwurf und unterm Mikroskop.

Einen der ersten Dresdner Chips von 1968 zum Beispiel kann der Besucher hier aus verschiedenen Perspektiven entdecken: Als stecknadelkopfkleinen Winzling im Original, als wandfüllenden Schaltkreisentwurf auf Millimeterpapier, als Layout-Schablone im Posterformat, aber auch als vieltausendfache Vergrößerung mit dem Elektronenrastermikroskop, unter dem das Gewirr aus Leiterbahnen. Widerständen und Transistoren wie eine mit Mondstaub verschüttete verlassene Stadt anmutet.

 

 

Gekupfertes und Eigenersonnenes liegen dicht beieinander

Das original von Texas Instruments (l.) und die Dresdner Nachkonstruktion als DDR-Taschenrechner von 1973.

Das Original von Texas Instruments (l.) und die Nachkonstruktion als DDR-Taschenrechner von 1973.

Zu sehen sind zudem die ersten in Freiberg gezüchteten Elektroniksilizium-Kristalle, der legendäre Megabit-Schaltkreis, ein Speicherriegel des untergegangenen Speicherkonzerns Qimonda und – nebeneinander – der DDR-Taschenrechner „Minirex 73“ und das Original von Texas Instruments, von dem die Dresdner Ingenieure fleißig abgekupfert hatten. „Allerdings haben die Dresdner Mikroelektroniker nicht einfach nur kopiert, sondern selbst bei nachgebauten Chips viele eigene Lösungen gefunden“, betont Pulla.

Daneben finden sich Raritäten aus den Filmarchiven: Eine Episode aus der Hightech-Propagandaserie „Wettlauf mit der Zeit“ zum Beispiel, in der DDR-Fernsehleute die Entwicklung des Megabit-Schalkreises in Dresden begleiteten. Oder ein Lehrfilm für angehende Mikroelektroniker, der alle Prozessschritte zeigt, wie sie in den 1970er Jahren im ZMD üblich waren.

Eröffnet wird die Sonderausstellung heute Abend mit einer kleinen Feier, zu der unter anderem Hartmanns Witwe Renee Hartmann und viele „alte“ und „neue“ Mikroelektroniker erwartet werden. Ab morgen ist die Schau bis zum 7. Oktober 2012 für das allgemeine Publikum geöffnet. Heiko Weckbrodt

Technische Sammlungen Dresden, Junghansstraße 1, Di.-Fr. 9-17 sowie Sa. u. So. 10-18 Uhr, Eintritt: vier Euro (ermäßigt drei Euro, Kinder bis 6 Jahre gratis)

 

Zum Weiterlesen:

Oiger-Special „50 Jahre Mikroelektronik in Dresden“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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