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Dresdner Forscher entdecken Alternative zu Wunderwerkstoff „Graphen“

Die Kristallstruktur des Designermaterials SrMnBi2 - grün: Wismut; blau: Strontium; rot: Mangan. Abb.: Marc Uhlarz/ HZDR

Die Kristallstruktur des Designermaterials SrMnBi2 - grün: Wismut; blau: Strontium; rot: Mangan. Abb.: Marc Uhlarz/ HZDR

Dresden, 13.10.2011 . Dresdner Forscher haben gemeinsam mit koreanischen Kollegen ein Material entwickelt, das dem „Wunderwerkstoff“ Graphen ähnelt. Die Wissenschaftler um Dr. Frederik Wolff-Fabris vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) glauben, damit eine Art Designer-Werkstoff in den Händen zu haben, mit dem man künftig vielleicht sogar superschnelle Chips konstruieren könnte.

Graphen-Modell: Jedes Kohlenstoff-Atom hat drei Nachbarn in der 2. Dimension. Abb.: AlexanderAlUS/Wikipedia

Graphen-Modell: Jedes Kohlenstoff-Atom hat drei Nachbarn in der 2. Dimension. Abb.: AlexanderAlUS/ Wikipedia

Visionäre versprechen sich Raumschiff-Sonnensegel, Weltraumlifts und Superchips von Graphen

Die Kohlenstoffverbindung Graphen wurde eine breiteren Öffentlichkeit vor allem bekannt, als der Physik-Nobelpreis 2010 an Andre Geim und Konstantin Novoselov, die dieses Material untersucht haben. Durch zahlreiche ungewöhnliche elektronische, mechanische und relativistische Eigenschaften gilt vielen Forschern Graphen als ein Zukunftswerkstoff, mit dem man beispielsweise riesige Sonnensegel für Raumschiffe, Seile für Weltraum-Aufzüge, sehr schnelle Computerchips und besonders leistungsfähige Stromkabel konstruieren könnte. Der US-Elektronikkonzern IBM hat erst kürzlich bekannt gegeben, erste Serien-Chips aus Graphen gefertigt zu haben.

Wolff-Fabris und seine Kollegen haben als Alternative nun eine metallische Verbindung aus den Elementen Strontium, Mangan und Wismut designt, in der sich Elektronen – wie im Graphen – ähnlich wie masselose Lichtteilchen (Photonen) verhalten.

Man müsse den neuen Werkstoff aber erst noch gründlich untersuchen, um zu klären, ob dies auch zu einer sehr hohen elektrischen Leitfähigkeit führt, betonte Dr. Thomas Herrmannsdörfer, in dessen Abteilung im HSDR-Hochfeldmagnetlabor arbeitet.

Forscher hoffen, Supereigenschaften atomweise ein- und ausschalten zu können

„Was dieses Material aber auf jeden Fall für die Grundlagenphysik so interessant macht, ist bereits klar“, sagte er über Wolff-Fabris‘ Forschungen: „Es besteht aus drei Komponenten, die man durch chemisch ähnliche Elemente ersetzen kann und so in Hunderten Varianten testen kann, ob sich damit zum beispiel Halbleiter-, Supraleit- und Magnet-Eigenschaften kombinieren lassen.“ Ein Designerwerkstoff also, mit dem sich möglicherweise ganz neue Materialien atomweise konstruieren lassen, in denen man ganz bestimmte Superfähigkeiten ein- oder ausschalten kann: Strom widerstandslos zu leiten beispielsweise oder wie ein Transistor Daten zu speichern.

Der physikalische Hintergrund (Kurzversion)

Elektronen können in allen Materialien nur bestimme Energiezustände einnehmen, diese „elektronische Bandstruktur“ bestimmt, ob ein Werkstoff Strom isoliert (Beispiel Holz, wo die Elektronen kein „Wanderziel“ finden) oder leitet (Beispiel Eisen). Die kinetische Energie der Elektronen wächst wie bei einem Auto mit dem Quadrat der Geschwindigkeit – deshalb sind KfZ-Unfälle auch nicht doppelt, sondern viermal so verheerend, wenn die Autos mit doppeltem Tempo aufeinanderprallen. Es gibt aber Zufälle der Natur, die dazu führen, dass sich Elektronen in manchen Werkstoffen wie eben Graphen und SrMnBi2 ähnlich wie masselose Lichtteilchen verhalten – dann steigt ihre Energie nicht quadratisch, sonder nur linear zu ihrer Geschwindigkeit. Das führt wegen der Fermi-Obergrenze für die energetische Aufladung in einem gegebenen Materievolumen dazu, dass in solchen Stoffen mehr Elektronen unterwegs sein können als in konventionellen Werkstoffen. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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