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Surftipp „History Pin“: Eine Weltzeitreise

Ole und Elisabeth wanderten aus Norwegen nach Amerika aus - dort entstand 1867 diese Aufnahme. Abb. (alle): History Pin

Ole und Elisabeth wanderten aus Norwegen nach Amerika aus - dort entstand 1867 diese Aufnahme. Abb. (alle): History Pin

London/Webster, 31.7.2011: Ein Paar in den mittleren Jahren auf einer alten Schwarz-Weiß-Fotografie. Er sieht ein wenig in sich gekehrt drein. Sie schaut angespannt genau in die Kamera. Daheim, in Norwegen, war Ole Tostensen Anonby Lehrer. Er hat Tuberkolose und das weiß er. Trotzdem ist er mit Elisabeth Olsdatter Iglerød und den drei jungen Töchtern nach Amerika ausgewandert, ins gelobte Land – damit es den Kindern einmal besser geht als den Eltern.

Das Foto ist fast eineinhalb Jahrhunderte alt und heute weiß niemand mehr, warum Elisabeth irgendwann im Jahr 1867 in Webster, Minnesota, so angestrengt guckte: War es die Angst um Ole, der dem Tod ins Auge schaute? Die Sorge um die drei Töchter, die zu füttern waren? Oder schlicht die Mühe der Lichtbildsitzung, bei der man minutenlang ganz still sitzen musste?

Ole und Elisabeth sind längst tot – aber nicht vergessen. Ihr Foto hängt an einem globalen „Schwarzen Brett“, an der Weltkarte von „History Pin“. Vor wenigen Tagen erst haben das gemeinnützige Londoner Unternehmen „We are what we do“ („Wir sind, was wir tun“) und Google diesen „Refotografie“-Dienst weltweit gestartet und er soll, so die Initiatoren, „uns helfen, die Welt und unsere Geschichte mit neuen Augen zu sehen“.

„Refotografie“ zeigt den Wandel der Zeiten

Ein Offizier inspiziert 1915 den völlig zerbombten Wald von Argonne - bis heute hat sich die natur in Frankreich vielerorts vom I. Weltkrieg nicht erholt.

Ein Offizier inspiziert 1915 den völlig zerbombten Wald von Argonne - bis heute hat sich die Natur in Frankreich vielerorts vom I. Weltkrieg nicht erholt.

Das Konzept der „Refotografie“ ist simpel und wird punktuell bereits eingesetzt: Ein Ort oder Menschen werden aus derselben Perspektive im Abstand vieler Jahre immer wieder abgelichtet. Nebeneinandergestellt veranschaulichen uns die Fotos den Wandel der Zeiten.

„History Pin“ will dies nun zu einer Raum-Zeit-Karte der Erde ausweiten, die auf Googles Geodiensten aufbaut. Zum Start haben die Macher zahlreiche Fotos aus Archiven auf diese Weltkarte gepinnt. Die Nutzer sollen nun eigene Fotos dazu stecken, seien es alte Familienfotos oder Schnappschüsse von der letzten Reise. Derzeit umfasst das Projekt reichlich 51 000 Bilder, die eine Zeitspanne von 1840 bis 2010 repräsentieren.

Jedes Bild hat eine Geschichte – doch nicht immer ist sie bekannt

Atombombentest 1946 auf dem Bikini-Atoll.

Atombombentest 1946 auf dem Bikini-Atoll.

Für England und die USA sind bereits mehrere Tausend Generationenfotos bei „History Pin“ eingestellt, für Deutschland ist die Auswahl schon bedeutend kleiner. So findet man beispielsweise für Dresden nur eine heutige Stadtansicht und eine Sepia-Aufnahme aus dem Jahr 1953 von einem Ausflug in die Sächsische Schweiz. Bei Leipzig und Chemnitz kleben zum Beispiel alte Kriegsfotos und eine Aufnahme des Völkerschlachtdenkmals aus dem Jahr 1910. Besonders reizvoll: Zu vielen Bildern kann man eine kleine Geschichte zum Foto aufrufen.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Hoffnung von „We are what we do“ erfüllt und wirklich viele Menschen rund um den Globus ihre alten und neuen Aufnahmen dazupinnen. Denn dann hätte „History Pin“ wirklich das Zeug, Geschichte auf neuen Wegen erlebbar zu machen, das Schicksal ganzer Familien über Generationen hinweg zu dokumentieren. Heiko Weckbrodt

www.historypin.com

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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